Es folgt das Faksimile (originalgetreue Kopie) eines historischen Dokuments, das diese Webseite aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
Der Magistrat von Groß-Berlin hat nachstehende Verordnung beschlossen, die hiermit verkündet wird:
Diese Verordnung bezieht sich auf Einrichtungsgegenstände von Wohn- und Gewerberäumen, auf Hausrat, Kleidungs- und Wäschestücke, die durch Verfügung der Bergungsämter oder anderer Dienststellen des Magistrats von Groß-Berlin oder der Bezirksämter einem anderen als dem Eigentümer zur Benutzung überlassen worden sind. Sie gilt nicht für Gegenstände, die auf Grund der SMAD-Befehle 124 und 126 beschlagnahmt worden waren. Hierüber ist eine besondere Verordnung ergangen.
Gegenstände der in § 1 genannten Art, deren Eigentümer sich nicht binnen 10 Wochen nach Inkrafttreten dieser Verordnung bei der zuweisenden Dienststelle des Magistrats von Groß-Berlin oder der Verwaltungsstelle für Bergungsgut des Bezirks, in dem sich die Gegenstände befinden, gemeldet haben, werden nach Ablauf dieser Frist als herrenloses Gut Eigentum der Stadt Berlin. Rechte Dritter daran erlöschen. Die Zuweisungen gelten zum gleichen Zeitpunkt als aufgehoben.
Die Benutzer dieser Gegenstände, denen sie zugewiesen waren, haben das Recht, sie von der Stadt Berlin käuflich zum schätzungswert zu erwerben. Entsprechende Anträge müssen binnen drei Monaten nach Ablauf der in § 2 bestimmten Frist beim Bergungsamt des Magistrats von Groß-Berlin oder den Verwaltungsstellen für Bergungsgut der Bezirksämter gestellt werden.
Als Schätzungswert gilt der preisrechtlich zulässige Zeitwert, der von der Verwaltungsstelle für Bergungsgut unter Berücksichtigung des Zustandes und des Abnutzungsgrades der Gegenstände festgestellt wird. Der Schätzungswert ist grundsätzlich vor Aushändigung der Übereignungsurkunde (§ 6) zu entrichten. Er kann im Unvermögensfalle ganz oder durch Festsetzung von Ratenzahlungen gestundet werden. Die von den Benutzern als Entgelt für die bisherige Nutzung geleisteten Zahlungen (Miete oder Nutzungsentschädigung) werden nicht angerechnet.
Der von der Verwaltungsstelle für Bergungsgut ermittelte Schätzungswert und die von ihr vorgeschlagenen Zahlungsbedingungen sind vor ihrer Festsetzung dem Antragsteller zwecks Anerkennung bekanntzugeben.
Hat der Antragsteller den Schätzungswert und die Zahlungsbedingungen anerkannt, so stellt die Verwaltungsstelle für Bergungsgut eine Übereignungsurkunde aus. Diese hat den Namen des Erwerbers, die übereigneten Gegenstände, den Kaufpreis und die Zahlungsbedingungen zu enthalten. Mit Aushändigung der Übereignungsurkunde und vollständiger Zahlung des festgesetzten Kaufpreises geht das Eigentum an den in der Urkunde verzeichneten Gegenständen auf den Käufer über.
Gegenstände der in §§ 1 und 2 genannten Art, die von den gegenwärtigen Benutzern nicht käuflich erworben werden, gehen in die Verwaltung der Sozialämter der Bezirksverwaltungen über. Diese verfügen darüber nach ihrem pflichtmäßigen Ermessen. Sie können sie den gegenwärtigen Benutzern mietweise oder - soweit diese bedürftig sind - auch unentgeltlich zur Nutzung auf Zeit überlassen. Soweit solche Verfügungen nicht bestehen, können die Sozialämter die Herausgabe der Gegenstände anordnen.
Gegenstände der in § 1 genannten Art, deren Eigentümer sich innerhalb der in § 2 bestimmten Frist gemeldet haben, sind nach Ablauf dieser Frist von den Benutzern an die Eigentümer auf Anforderung zurückzugeben, soweit sie nicht nach Maßgabe der §§ 9 und 10 käuflich erworben werden. Die früheren Zuweisungen gelten zum gleichen Zeitpunkt als aufgehoben.
Die gegenwärtigen Benutzer der in § 8 genannten Gegenstände haben das Recht, sie käuflich zum Schätzungspreis von dem Eigentümer zu erwerben, soweit sie diese zur Deckung ihres unmittelbaren Lebensbedarfs im Rahmen eines den heutigen Zeitverhältnissen angemessenen Hausstandes benötigen. Bei Beurteilung der Angemessenheit des Hausstandes sind die Interessen der Beteiligten gerecht abzuwägen. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, inwieweit beim Eigentümer ein dringender Bedarf vorliegt und ob die Wegnahme der Gegenstände für den Benutzer unter Berücksichtigung seiner Verdienste um die Bekämpfung des Nationalsozialismus oder für den demokratischen Aufbau keine unzumutbare Härte bedeutet.
Der Antrag auf Erwerb von Hausratsgegenständen ist, falls sich die Beteiligten nicht vorher über eine freiwillige Überlassung geeinigt haben, binnen sechs Wochen nach Ablauf der in § 2 bestimmten Frist bei der Verwaltungsstelle für Bergungsgut zu stellen. Diese ordnet nach Anhörung der Beteiligten unter Festsetzung des Kaufpreises und der Zahlungsbedingungen den Kauf an. Die Vorschriften der §§ 4 und 5 finden entsprechende Anwendung. Mit Rechtskraft der Verfügung gilt zwischen dem Benutzer und dem Eigentümer ein Kaufvertrag zu den aus der Verfügung ersichtlichen Bedingungen als abgeschlossen. Mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises geht das Eigentum an den in der Verfügung bezeichneten Gegenständen auf den Käufer über.
Eigentümer von Gegenständen der in § 1 genannten Art, die ohne ihr Verschulden ihre Ansprüche nicht rechtzeitig anmelden konnten, erhalten von der Verwaltungsstelle für Bergungsgut auf Antrag den Schätzungswert als Entschädigung ausgezahlt. Die Entschädigung wird in Höhe des nach § 4 zu ermittelnden Schätzungswertes festgesetzt. Nach dem 31. Dezember 1949 können Anträge auf Auszahlung einer solchen Entschädigung nicht mehr gestellt werden.
Streitigkeiten über die Auswahl der Gegenstände, die gemäß §§ 9 und 10 dem Benutzer käuflich überlassen werden, über die Höhe des Kaufpreises und die Zahlungsbedingungen sowie über die Frage der Entschädigung nach § 11 entscheidet der Magistrat von Groß-Berlin unter Ausschluß des Rechtsweges nach Maßgabe der Durchführungsbestimmungen.
Rechtsstreitigkeiten zwischen dem früheren Eigentümer und dem Erwerber, die sich im Zusammenhang mit Kaufanordnungen aus § 10 ergeben, sind vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen.
Aus den Übereignungsurkunden gemäß § 6 findet hinsichtlich des Kaufpreises und aus den Herausgabeverfügungen gemäß § 7 hinsichtlich der Wegnahme der Gegenstände die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in Verwaltungssachen statt.
Wegen der früheren Zuweisung von Gegenständen der in § 1 genannten Art und wegen des Verlustes von Rechten, die durch diese Verordnung eintreten, können keine Entschädigungsansprüche gegen die Stadt Berlin oder den Erwerber solcher Gegenstände erhoben werden.
Der Erwerb und die Veräußerung von Gegenständen auf Grund dieser Verordnung ist frei von Steuern, Verwaltungsgebühren und sonstigen Verwaltungskosten.
Die Bestimmungen dieser Verordnung finden entsprechende Anwendung auf das Zubehör von Kleingärten, insbesondere Lauben, Bäume und Sträucher, und zwar auch dann, wenn die Zuweisung an die gegenwärtigen Benutzer durch einen Kleingartenverein oder demokratische Ausschüsse der Kleingärtner erfolgt ist.
Die Abteilung Verwaltung und Personal des Magistrats von Groß-Berlin wird ermächtigt, im Einvernehmen mit der Abteilung Finanzen des Magistrats von Groß-Berlin die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen.
Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung im Verordnungsblatt für Groß-Berlin in Kraft.
Berlin, den 27. August 1949
Der Magistrat von Groß-Berlin
Der Oberbürgermeister
In Vertretung
Arnold Gohr
Bürgermeister
Abteilung Verwaltung und Personal
Wald. Schmidt
Stadtrat
Verordnungsblatt für Groß-Berlin Teil 1 Nr. 39/1949 S. 257
Quelle: Eigener Bestand im Original
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