Am 3. April 1989 verbot der Minister für Nationale Verteidigung der DDR die Anwendung der Schusswaffen im Grenzdienst. Sie blieb lediglich zur Selbstverteidigung erlaubt. Zugleich wies der Minister an, eine Strukturänderung bei den Grenztruppen vorzubereiten.
Auf Beschluss des Nationalen Verteidigungsrates der DDR und durch Ministerbefehl wurden die Grenztruppen der DDR an der Staatsgrenze zur Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum von Juni bis November 1989 reorganisiert. Die Grenzkommandos Nord und Süd wurden zu Grenzbezirkskommandos, die Grenzregimenter zu Grenzkreiskommandos und die Grenzausbildungsregimenter zu Grenzausbildungszentren umgebildet. Das Grenzkommando Mitte blieb in bisheriger Struktur bestehen.
Das bisherige strenge militärische Gliederungsmodell wurde aufgegeben und der territorial-administrativen Gliederung in Bezirke und Kreise der DDR angepasst. Damit erfolgte eine Gleichsetzung mit den Strukturen der Polizei. Es sollten Führungsstrukturen eingespart und Kräfte für grenzsichernde Einheiten freigesetzt werden.
Allerdings wurde weder auf die Unterstellung der Grenztruppen unter das Ministerium für Nationale Verteidigung noch auf die militärische (Gefechts-)Aufgabenstellung an die Grenztruppen verzichtet, wie das Anfang der 1970er Jahre beim Bundesgrenzschutz (mit Gesetz vom 18. August 1972) realisiert worden war. Die im Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen innerhalb der Grenztruppen unterbreiteten Vorschläge, die auf die Abschaffung der Vermischung von polizeilichen und militärischen Aufgaben drängten und die Erfüllung polizeilicher Aufgaben mit militärischen Mitteln und Methoden ablehnten, blieben ungenutzt. Die Fähigkeiten der Grenztruppen zur Panzerabwehr wurden erhöht.
Zum 1. Dezember 1989 war folgende Struktur eingenommen:
Entlang der Grenze zur Bundesrepublik - sechs Grenzbezirkskommandos:
Um West-Berlin - ein Grenzkommando:
An der Grenze zur Volksrepublik Polen:
An der Grenze zur ČSSR:
In operativer Unterstellung des Kommandos Volksmarine entlang der Seegrenze der DDR und der Ostseeküste handelte:
In direkter Unterstellung des Kommandos Grenztruppen handelten:
Im Sommer/Herbst 1989 wurde im Zusammenhang mit den wachsenden Protesten gegen die Reformunfähigkeit der SED und der Regierung der DDR vor allem die Forderung nach Reisefreiheit und damit nach Grenzöffnung artikuliert. Die DDR-Regierung versuchte dem Druck nachzugeben und ein entsprechendes Reisegesetz zu formulieren.
Auf einer Pressekonferenz in den Abendstunden des 9. November 1989 wurde der Ministerratsbeschluss verlesen, dass "… Privatreisen nach dem Ausland … ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden [können]. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt…" sowie dazu irrtümlich bekannt gegeben, dass das Gesetz "unverzüglich" in Kraft trete.
Sofort strömten zehntausende DDR-Bürger an die Grenzübergangsstellen zu West-Berlin und verlangten Durchlass. Die SED-, Regierungs- und NVA-Führungskräfte waren nicht erreichbar und es gab keinerlei Weisung an die Grenztruppen. Die an der Grenze zu West-Berlin handelnden Kräfte der Grenztruppen und der Passkontrolleinheiten (PKE) des Ministeriums für Staatssicherheit öffneten nach kurzem Zögern, auf sich allein gestellt, nach Weisung durch den GÜST-Kommandanten bzw. des Leiters PKE, die Grenzübergangsstellen (GÜST) und ließen die Massen passieren.
In den Folgetagen gab es ähnlichen Druck der Bevölkerung an der Staatsgrenze West (zur Bundesrepublik Deutschland). Obgleich hier die Führungsstrukturen funktionierten, wurde dem Druck nachgegeben und Grenzöffnungen unter Beseitigung von Sperranlagen vorgenommen. Überall fiel kein einziger Schuss.
Diese Grenzöffnung war ein welthistorisches Ereignis, das ein Ende des "Kalten Krieges" in Europa einleitete.
Die im November 1989 begonnene, vielfach als Provisorium ausgelegte Neueinrichtung von Grenzübergangsstellen (GÜST), an der Staatsgrenze West und zu West-Berlin wurde fortgesetzt. Bis Anfang Februar 1990 waren das 97 Grenzübergangsstellen.
Am 14. Dezember 1989 behandelte der Ministerrat der DDR die Zuordnung der Aufgaben der Passkontrolle und Fahndung zu den Grenztruppen der DDR. Im Januar 1990 übernahmen die Grenztruppen die Aufgabe der Personenkontrolle und Fahndung. Die bisher dafür zuständige Hauptabteilung VI des MfS wurde aufgelöst und die 12.000 Angehörigen dieser Abteilung sollten in die Grenztruppen eingegliedert werden.
Der Übergang von der Grenzsicherung zur Grenzüberwachung folgte am 21. Januar 1990. Damit verbunden war die Entlassung von 15.000 Angehörigen der Grenztruppen.
Am 2. März 1990 beschloss der Ministerrat der DDR weitere Veränderungen im Grenzregime. Aus den Grenztruppen, einschließlich der Grenzbrigade Küste und der Passkontrolle, sollte ein einheitliches, zentral geführtes und territorial strukturiertes, ziviles Grenzschutzorgan in Stärke von maximal 28.000 Angehörigen formiert und bis zum 31. Dezember 1990 in den Bestand des Ministeriums des Innern eingegliedert werden.
Am 1. Juli 1990, dem Tag der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion der beiden deutschen Staaten, wurden die Grenzkontrollen an der Staatsgrenze West und zu West-Berlin eingestellt. Die Realisierung des neuen Grenzsystems wurde aufgrund der politischen Umwälzungen nicht mehr abgeschlossen.
Mit dem am 23. August 1990 von der Volkskammer beschlossenen Beitritt nach Artikel 23 des Grundgesetzes hatten sich alle Bemühungen für einen Grenzschutz der DDR erledigt. Gemäß dem Befehl Nr. 49/90 des Ministers für Abrüstung und Verteidigung der DDR vom 21. September 1990 wurden die Grenztruppen aufgelöst. Berufssoldaten und Zivilbeschäftigte, die vom Bundesgrenzschutz übernommen wurden, sind entsprechend diesem Befehl bis zum 30. September 1990 entlassen worden.
Mit Wirkung vom 28. September 1990 wurden die Dienstgeschäfte dem Auflösungs- und Rekultivierungskommando des Ministeriums für Abrüstung und Verteidigung übergeben. Für etwa ein Jahr bestand noch der Zentrale Auflösungsstab. Etwa 4.500 ehemalige Grenztruppenangehörige wurden von der Bundeswehr als Zivilkräfte in Rekultivierungskommandos zum Abbau der Grenzsperranlagen eingestellt.
Quelle Wikipedia