Um Frauen zur Berufstätigkeit zu motivieren, gab es Anreize sowie moralischen und ökonomischen Druck. Zu den Anreizen zählte die Öffnung fast aller Berufszweige für Frauen, die gesetzliche Festschreibung der gleichen Bezahlung der Geschlechter für gleiche Arbeit, Frauenqualifizierungsmaßnahmen, die Schaffung von Kinderkrippen-, Kindergarten- und Hortplätzen, die Einrichtung von Dienstleistungszentren sowie eine Reihe von anderen sozialen Vergünstigungen für Mütter. Der ökonomische Druck beruhte auf der Tatsache, dass auf Grund der Gehaltsstruktur der DDR eine Familie in der Regel darauf angewiesen war, dass beide Partner berufstätig waren, um einen ausreichenden wirtschaftlichen Lebensstandard erreichen zu können, während der moralische Druck in der staatlichen Propagierung durch Leitbilder und der gesetzlichen Festschreibung der "Pflicht zur Arbeit" begründet lag.
Frauen, die sich vor allem ihren Kindern und ihrer Familie widmen wollten, wurden als "Schmarotzerinnen" bezeichnet. Das Leitbild, das den moralischen Druck ausmachte, war die berufstätige Frau, die sowohl die Arbeit als auch die Familie perfekt in Einklang bringen konnte. Zu den Leitbildern der DDR zählten außerdem die Männer. Für die Frauen galt es demnach das zu erreichen, was der Mann bereits geschafft hatte, wodurch die Frau sich nicht selbst verwirklichen konnte.
Frauen hatten, ebenso wie Männer, nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht arbeiten zu gehen, so heißt es im Artikel 24, Absatz 2 der Verfassung der DDR vom 9. April 1968: "Gesellschaftlich nützliche Tätigkeit ist eine ehrenvolle Pflicht für jeden arbeitsfähigen Bürger. Das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit bilden eine Einheit."
Das Ideal im DDR-Sozialismus war eine lebenslange Berufstätigkeit, bei Männern bis zum 65sten und Frauen bis zum 60sten Lebensjahr, die von Frauen lediglich durch Inanspruchnahme des einjährigen Erziehungsurlaubs ("Babyjahr") unterbrochen werden konnte. Eine längere Unterbrechung der Berufstätigkeit durch Mutterschaft und Kindererziehung, bzw. die lebenslange ausschließliche Hausfrauentätigkeit wurde abgelehnt, da Gleichberechtigung allein über die Berufstätigkeit der Frau zu erlangen sei, längere Berufspausen die Chancengleichheit beeinträchtigen und Frauen zwingen würden minderqualifizierte Tätigkeiten auszuüben.
So galt Hausarbeit als "Nicht-Arbeit" und wurde von der SED nicht akzeptiert. Lediglich bei sogenanntem Kinderreichtum wurde ein längeres berufliches Pausieren ausdrücklich toleriert, da die Betreuung von mindestens 3 minderjährigen Kindern zu Hause einer beruflichen Tätigkeit gleichgestellt und als gesellschaftlich nützliche Tätigkeit gefördert wurde. Doch war auch in anderen Fällen Hausfrauenschaft weder verboten noch besonders selten, allerdings nicht so angesehen wie die Berufstätigkeit.
Das diesem Urteil zugrundeliegende gesellschaftliche Bewusstsein wurde durch die entsprechende staatliche Propaganda verstärkt, u. a. durch das DDR-Standardwerk in Frauenfragen. "Die Frau in der Deutschen Demokratischen Republik" (Autorenkollektiv Panorama DDR 1978), in dem vermittelt wurde, dass die Berufstätigkeit der Frauen nicht allein deren Emanzipation bewirke, sondern auch ihren persönlichen und gesellschaftlichen Wert steigere:
"Es zeigt sich …, daß der aus der beruflichen Tätigkeit herrührende reichere Schatz an Wissen und Erfahrung, aber auch die mit ihr einhergehende ökonomische Unabhängigkeit, die Stellung der Frau in der Familie festigen. In der Regel sind berufstätige Frauen geistig anspruchsvollere Ehepartnerinnen und fähigere Erzieherinnen ihrer Kinder. So bestätigt das Leben vieltausendfach die Erkenntnis, daß die Persönlichkeit der Frau, die in ihr schlummernden Fähigkeiten und schöpferischen Talente nur dann zur vollen Blüte gelangen können, wenn sie nicht nur auf Haushalt und Familie orientiert und allein den Belangen des Mannes und der Kinder untergeordnet bleiben. Erst die schöpferische, gesellschaftlich nützliche Arbeit in einer von Ausbeutung freien Gesellschaft, die damit einhergehende soziale und ökonomische Unabhängigkeit, die Verbindung einer sinnvollen beruflichen Tätigkeit mit der Mutterschaft geben der Frau die Möglichkeit, ‚dem Mann als wahrhaft Freie und Gleiche’ gegenüberzutreten, zur ‚Herrin ihrer Geschicke’ zu werden, wie August Bebel es vorausgesehen hat."
(Autorenkollektiv Panorama DDR 1978, S. 61)
Bei dieser stark idealisierten Darstellung der "Gleichstellung der Geschlechter" durch die beiderseitige Berufstätigkeit wird jedoch unterschlagen, dass der Frau wegen der Doppelbelastung als Arbeitnehmerin und Mutter höhere Anstrengungen abverlangt wurden, als den ihr vermeintlich gleichgestellten Männern. So leisteten dem Leipziger Institutes für Bedarfsforschung zufolge im Jahre 1965 die Frauen 90 % der Haushaltsarbeit. Konflikte in diesem Zusammenhang wurden gesellschaftlich nicht thematisiert und an einem bürgerlichen Familienideal mit der entsprechenden geschlechtsspezifischen Rollenverteilung wurde festgehalten.
Auf Grund der staatlichen Bemühungen und der ökonomischen Zwänge stieg der Anteil der erwerbstätigen Frauen kontinuierlich und erreichte 1986 ca. 80 % (Frauen im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 60 Jahren; ohne Lehrlinge). Zu diesem Zeitpunkt waren knapp die Hälfte aller Beschäftigten in der DDR Frauen.
Frauenerwerbstätigkeit in der DDR | ||||
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Jahr | Beschäftigte insgesamt | davon Frauen | Frauenanteil in % | |
1950 | 7 196 000 | 2 880 000 | 40,0 | |
1960 | 7 686 000 | 3 456 000 | 45,0 | |
1970 | 7 769 000 | 3 750 000 | 48,3 | |
1980 | 8 225 000 | 4 106 000 | 49,9 | |
1986 | 8 548 000 | 4 200 000 | 49,1 |
Trotz der staatlichen Proklamationen bezüglich der erreichten "Gleichstellung der Geschlechter" und der Förderungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen und Mütter blieb der Arbeitsmarkt der DDR geschlechtsspezifisch segmentiert. So waren Frauen insbesondere im Sozialwesen, Gesundheits- und Bildungsbereich, Dienstleistungsbereich, im Handel und im Post-, Bank- und Fernmeldewesen vertreten, während sie in der Industrie, im Handwerk, im Bau- und Verkehrswesen deutlich unterrepräsentiert waren. In der Industrie waren Frauen insbesondere in der Textil- und Elektroindustrie anzutreffen, wobei sie gemessen an ihrem hohen Anteil, nur wenige Leitungsfunktionen innehatten und häufiger in minderqualifizierten Positionen, mit ungünstigeren Arbeitsbedingungen und schlechterer Entlohnung tätig waren, als ihre männlichen Kollegen. So arbeiteten Frauen in der Produktion oft am Fließband mit erschwerten Kommunikationsmöglichkeiten und hohem Arbeitsdruck. Es ist zusätzlich anzumerken, dass bei gleicher Arbeit auch kein gleicher Lohn gezahlt wurde.
Quelle Wikipedia