Das war die DDR

Naturschutz im Zeitraum 1954 bis 1970

Neues Naturschutzrecht und Neuorganisation der Naturschutzarbeit

Seit 1952 war bereits ein neues Naturschutzgesetz vorbereitet worden, das das Reichsnaturschutzgesetz (RNG) ablösen sollte. Das RNG wurde in der DDR dann durch das "Gesetz zur Erhaltung und Pflege der heimatlichen Natur (Naturschutzgesetz)" vom 4. August 1954 abgelöst. Es prägte die Naturschutzarbeit mehr als anderthalb Jahrzehnte maßgeblich. Das Naturschutzgesetz von 1954 lehnte sich in seinen Paragraphen über NSG, ND, geschützte Tiere und Pflanzen, Naturschutzverwaltung, Naturschutzbeauftragte, Regeln der Unterschutzstellungen und Strafbestimmungen stark an das RNG an.

Es enthielt insgesamt eher traditionelle, dem konservierenden Naturschutz verpflichtete übergeordnete Zielvorstellungen, wurde aber den weiter entwickelten Aufgaben des Naturschutzes dennoch besser gerecht als das Reichsnaturschutzgesetz, denn es barg wichtige Neuerungen. Bereits in seiner Präambel stellte es neben den ethischen Grundsätzen gezielt den wissenschaftlichen Aspekt des Naturschutzes heraus und spiegelte einige ideelle Weiterentwicklungen wider, die bei der Sicherung von Schutzobjekten Bedeutung erlangten.

Der Geltungsbereich des Gesetzes wurde auf den Gesamtraum ausgedehnt, also auf den unbesiedelten wie besiedelten Raum, seine Wirkung blieb jedoch im Wesentlichen weiter auf die "freie Landschaft" und darin vornehmlich auf die Schutzgebiete und Schutzobjekte beschränkt. Anders als noch nach dem RNG wurden die Schutzgebiete nun nach wissenschaftlichen und dokumentarischen Gesichtspunkten unter dem Aspekt der Dokumentation der gesamten Naturausstattung des Landes in ihrer Formenvielfalt in repräsentativen Ausschnitten ausgewählt.

Zu den aus dem RNG übernommenen Schutzobjekten Naturdenkmale, Naturschutzgebiete (NSG) und ausgewählte Tier- und Pflanzenarten kamen neu die Landschaftsschutzgebiete (LSG) und auch bereits Flächennaturdenkmale (FND) bis 1 ha Größe hinzu. Die Kategorie der Reichsnaturschutzgebiete wurde stillschweigend zu Grabe getragen.

Nicht aufgenommen wurde in das Gesetz die Kategorie "Nationalparke". Seit Mitte der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre strengten bekannte Persönlichkeiten wie Kurt und Erna Kretschmann, Reimar Gilsenbach, Erich Hobusch und andere, erfolglose Bemühungen zur Aufnahme dieser Schutzgebietskategorie und zur Ausweisung der Nationalparke Müritz und Sächsische Schweiz an. Es gab auch bereits einen Vorschlag zur Ausweisung eines Naturparks Märkische Schweiz.

Auch der Schutz seltener Pflanzen wurde neu geregelt. Das RNG hatte nach drei Graden und drei Listen in vollkommenen Schutz, teilweisen Schutz und Sammelschutz unterschieden. Bei den teilweise geschützten Arten waren nur die unterirdischen Pflanzenteile (z. B. Zwiebeln) und die Blattrosetten geschützt. Die Gesamtzahl der geschützten Arten betrug demzufolge auf dem Gebiet der DDR 93, davon waren 35 vollkommen und 15 teilweise geschützt. Bei 43 Arten war das Sammeln für gewerbliche Zwecke verboten. "Es dürfte nur wenige Naturschützer gegeben haben, die sich hier vollkommen auskannten." Diese Kompliziertheit wurde im Naturschutzgesetz der DDR aufgehoben und alle zu schützenden Arten, nunmehr 108, waren von nun an vollkommen geschützt.

Mit Blick auf die Organisation des Naturschutzes fiel im Naturschutzgesetz der DDR gegenüber dem RNG bei der ehrenamtlichen Naturschutzarbeit der Begriff "Naturschutzstelle" auch de jure weg. Damit entfiel grundsätzlich die zuvor im § 8 RNG bzw. § 3 der DVO zum RNG verankerte unabhängige fachliche Beratung. Die Naturschutzstellen waren gemäß RNG als beratende Stellen nicht Teile der Naturschutzbehörden gewesen.

Es erfolgte ansonsten eine Übernahme des Organisationsmodells aus dem RNG. Der Naturschutz wurde dem Ministerium für Land und Forst, später Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft und den diesem Ministerium in den Bezirken und Kreisen nachgeordneten Behörden zugeordnet. Es wurden dort erste hauptamtliche Stellen eingerichtet – in der Regel handelte es sich um eine Personalstelle, wobei der Naturschutz nur einer unter mehreren Aufgabenbereichen des zuständigen Mitarbeiters war. Naturschutz war zudem stets von untergeordneter Bedeutung, etwa im Vergleich mit dem Bereich Jagd. Die personelle Ausstattung der Naturschutzverwaltung war unzureichend und darüber wurde vielerorts Klage geführt.

Neben den gesetzlich vorgeschriebenen ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten gab es in zahlreichen Kreisen bereits in den 1950er Jahren freiwillige Naturschutzhelfer, die in manchen Kreisen eine rechtlich nicht vorgesehene Naturschutzwacht bildeten. 1959/1962 wurden in der gesamten DDR etwa 3.700 Naturschutzhelfer gezählt, deren Rechte und Pflichten jedoch im Naturschutzgesetz von 1954 noch nicht geregelt waren.

Zur Arbeit der ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten wurden mit den Durchführungsbestimmungen (DB) zum Naturschutzgesetz Regelungen getroffen. Die 1. DB vom 15. Februar 1955 regelte, dass die Beauftragten mit Lichtbildausweisen auszustatten waren, mit denen sie erweiterte hoheitliche Befugnisse erhielten. Zum schon nach RNG vorhandenen Betretungsrecht kam das Recht auf Feststellung der Personalien von "Sündern" und die Sicherstellung von Diebesgut wie Vogeleier oder -bälge und Diebeswerkzeug wie Fallen oder Leimruten hinzu. Die 2. DB vom Oktober 1955 regelte die materielle Abgeltung der Arbeit der Kreis- und Bezirksbeauftragten für Naturschutz.

Die wissenschaftliche Begleitung und die Beratung und Anleitung der Ehrenamtlichen und Freiwilligen erfolgte durch das Institut für Landesforschung und Naturschutz (später: Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz). Das Institut und die Naturschutzbeauftragten füllten die Lücke, die durch das Fehlen der Naturschutzstellen und die Unterausstattung der staatlichen Naturschutzverwaltung entstand, nach besten Kräften aus.

Neben den genannten rechtlichen Bestimmungen wurden in den 1950er und 1960er Jahren zahlreiche weitere getroffen, die auf eine "rationelle Ausnutzung" und "Reproduktion" der Naturressourcen unter Einschluss ökologischer Erfordernisse abzielten. In der Naturschutzpraxis der 1950er und 1960er Jahre standen folgende Aufgaben im Vordergrund:

  • wiederholte Bearbeitung der Naturdenkmallisten der Kreise, Erfassung bestehender Naturdenkmale und Mitwirkung an der Sicherung neuer
  • Kennzeichnung der Naturschutzobjekte mit der "Naturschutz-Eule"
  • Mitwirkung an Regelungen über den Umfang und die Art der Bewirtschaftung und der Errichtung von Bauten in Schutzgebieten
  • Überprüfung landschaftsverändernder Maßnahmen in Standortgenehmigungsverfahren außerhalb geschlossener Ortschaften
  • Bestandsaufnahmen und Anstrengungen zur Pflege der Gutsparke
  • Mitwirkung an der biogeografischen Kartierung ausgewählter Tier- und Pflanzenarten, in deren Zusammenhang erste "Rote Listen" gefährdeter Arten vorbereitet wurden
  • systematische Auswahl, Ausweisung und Beschilderung von neuen NSG und LSG, Erarbeitung von Behandlungsrichtlinien und Landschaftspflegeplänen
  • Mitarbeit bei Maßnahmen der flurschützenden Landschaftsgestaltung (dazu gehörte das groß angelegte Pappelanbauprogramm außerhalb des Waldes) und Mitwirkung bei Komplexmeliorationen
  • Öffentlichkeitsarbeit durch Vorträge und Exkursionen sowie die Gestaltung von Ausstellungen, Naturlehrpfaden, Wanderwegen und naturkundlichen Sammlungen

Eine neue Form der Öffentlichkeitsarbeit waren ab 1957 die "Naturschutzwochen", die 1956 in den Bezirken Potsdam und Karl-Marx-Stadt erprobt worden waren und später mit einer "Woche des Waldes" zusammen in der ganzen DDR mit zentral vorgegebenen Naturschutzthemen durchgeführt wurden. Ab 1966 begann die Tradition der Landschaftstage, mehrtägiger Veranstaltungen, in denen zunächst die Entwicklungsprobleme der großen Erholungsgebiete Gegenstand von Vorträgen und Diskussionen waren. Der erste Landschaftstag fand 1966 in Neubrandenburg statt und befasste sich mit dem "Müritz-Seen-Gebiet". Hier wurde letztmals öffentlich die Idee der Nationalparke verfochten.

System der Natur- und Landschaftsschutzgebiete

Eine kollektiv wahrgenommene Aufgabe des Naturschutzes war die systematische Auswahl, Ausweisung und Beschilderung von neuen NSG. Der mit dem Naturschutzgesetz verbundenen ideellen Weiterentwicklung folgend, wurde nun ein wissenschaftliches System von NSG ausgewiesen. Ab 1972 erschien ein vom ILN sukzessive herausgegebenes, fünf Bände umfassendes "Handbuch der Naturschutzgebiete" der DDR.

In den 1960er Jahren wurden bereits Behandlungsrichtlinien für NSG erarbeitet. Sie spiegelten das Pflege- und teils auch das Entwicklungserfordernis in NSG wider und damit die Erkenntnis, dass erwünschte Zustände nur durch Aufwand an Pflegearbeit erreicht werden konnten. Das war auch ideengeschichtlich neu im Naturschutz. Die Richtlinien waren ein Ersatz für Einzelverordnungen und konnten leicht an erforderliche Veränderungen angepasst werden.

Die 1. Durchführungsbestimmung zum Naturschutzgesetz eröffnete im § 1 die Möglichkeiten einer Beschränkung der NSG-Ausweisung auf wissenschaftliche Schwerpunktaufgaben wie die Schaffung von Grundlagen für die Entwicklung einer standortgemäßen Forstwirtschaft ("Waldschutzgebiete") oder von Refugien für Tierarten oder Tiergemeinschaften ("Tierschutzgebiete"). Auf dieser Grundlage wurde bei der Ausscheidung von Schutzgebieten systematisch vorgegangen. Es entstand in den Folgejahren ein System von Waldschutzgebieten, von Gewässerschutzgebieten und ein System von Tierschutzgebieten.

Dem System von Waldschutzgebieten, das früh und unbewusst die Idee des Prozessschutzes widerspiegelte, lag in seinem Ausgangspunkt die Forderung von Herbert Hesmer (Eberswalde) nach Ausweisung von "Naturwaldzellen" zu Grunde, unterstützt von Kurt Hueck mit der Forderung nach "mehr Waldschutzgebieten".

Die neue Schutzgebietskategorie "Landschaftsschutzgebiet" wurde nicht, wie im Reichsnaturschutzgesetz, als "geschützter Landschaftsteil" mit etwas anderen Bestimmungen als nicht ganz so wertvolles Naturschutzgebiet aufgefasst, sondern erhielt eine auf Erholung und auf die Schaffung von Erholungsmöglichkeiten ausgerichtete Aufgabenstellung. Bereits seit Ende der 1950er Jahre wuchsen die Probleme, die aus der Nah- und Wochenenderholung resultierten, die durch staatliche Maßnahmen wie die Einführung der Fünf-Tage-Arbeitswoche in jeder zweiten Woche (1966) unterstützt wurde. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 nahm in den großen Erholungsgebieten der Druck der Erholungssuchenden auf Wälder, Seeufer und auf die Ostseeküsten sprunghaft zu. Hier wuchsen dem Naturschutz wachsende Aufgaben zu.

Auch bei der Ausscheidung und Sicherung von LSG wurde systematisch vorgegangen. Zum Teil gingen in die LSG vormals nach RNG geschützte Landschaftsteile ein. In den 1960er Jahren wurde für LSG mit der Erarbeitung von Landschaftspflegeplänen begonnen. Auch dies war ein neues Instrument des Naturschutzes, für das Landschaftsarchitekten wie Werner Bauch, Walter Funcke oder Harald Linke seit Anfang der 1960er Jahre Ideen entwickelten. Auch inhaltliche Vorstellungen über Landschaftspflegepläne stammen bereits aus dieser Zeit, die u. a. vom Leiter der ILN-Zweigstelle Potsdam, Karl Heinz Großer, veröffentlicht wurden. Landschaftsplanerische Belange wurden vor allem auch in den Entwurfsbüros für Gebiets-, Stadt- und Dorfplanung (später: Büros für Territorialplanung) in den Bezirken wahrgenommen.

Institut für Landesforschung und Naturschutz (ILN)

In der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (DAL) wurde mit Wirkung vom 1. April 1953 das Institut für Landesforschung und Naturschutz (ILN) mit Sitz in Halle (Saale) mit in der Folge fünf Arbeitsgruppen, die für die Gebiete der ehemaligen Länder zuständig wurden, gegründet. Das ILN trat von seinen Aufgaben her in die Tradition der vormaligen Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen bzw. Reichsstelle für Naturschutz ein. Die Gründung des ILN erfolgte kurz vor Erlass des Naturschutzgesetzes. Sowohl die mit der Gründung des ILN verbundene Aufgabenzuweisung als auch das Naturschutzgesetz der DDR bedeuteten eine spezifische Fortentwicklung deutscher Naturschutztradition. Im Gründungsdokument wurden für das ILN drei Aufgabenbereiche beschrieben:

  1. Durchführung regionaler landeskundlicher Untersuchungen in biologischer, biogeographischer und standortskundlicher Hinsicht,
  2. Erforschung der vom Naturschutz betreuten Objekte und wissenschaftliche Beratung der Naturschutzarbeit in der Deutschen Demokratischen Republik.
  3. Sammlung aller bisher erschienenen Unterlagen und Karten über die einzelnen Landschaften der Deutschen Demokratischen Republik.

Im Aufgabenspektrum, das dem ILN übertragen wurde, rückte die systematische, zunächst auf die schutzwürdigen oder unter Schutz stehenden Objekte, dann zunehmend auf die Agrar- und Forstlandschaft sowie die Bergbaufolgelandschaften in der DDR gerichtete landschaftsbezogene Forschung eindeutig in den Vordergrund. Dieser dezidierte Forschungsauftrag, der nicht nur die Organisation und Koordination von Naturschutzforschung, sondern auch die eigene Forschungstätigkeit umfasste, war in der Geschichte der zentralen Naturschutzinstitutionen in Deutschland etwas Neues.

Erster Direktor des ILN war der Hallenser Universitätsprofessor Hermann Meusel, ein Botaniker, der nebenamtlich amtierte. Meusel blieb bis 1963 ILN-Direktor, ihm folgten dann als hauptamtliche Leiter der Einrichtung Ludwig Bauer (bis 1974) und Hugo Weinitschke (bis 1991).

Ebenfalls 1953 wurden die ersten Zweigstellen in Halle (zunächst mit Sitz in der "Zentrale", ab 1983 in Dessau), Potsdam (für die brandenburgischen Bezirke) und Jena (für die thüringischen Bezirke) gegründet, denen 1954 weitere in Greifswald und Dresden (für die mecklenburg-vorpommerschen bzw. sächsischen Bezirke) folgten. Jede der Zweigstellen führte neben beratenden und koordinierenden Aufgaben wissenschaftliche Schwerpunktprogramme durch. Anfangs gab es nur einen nebenamtlichen Leiter und ein bis zwei wissenschaftliche Mitarbeiter sowie eine Sekretärin je Zweigstelle. Die Leiter waren in Halle H. Bohnstedt, in Potsdam W. R. Müller-Stoll, in Jena J.-H. Schultze, in Dresden K. H. C. Jordan und in Greifswald T. Hurtig, die Professoren lehrten an den Universitäten der Sitzstädte.

In den Zweigstellen wurden dann später wie in der Zentrale hauptamtliche Leiter eingesetzt. Die Arbeitsgruppe Jena übernahm 1963 Ernst Niemann, dessen Nachfolger 1978 Walter Hiekel wurde, die Arbeitsgruppe Dresden 1959 Hans Schiemenz, ihm folgte 1985 Rolf Steffens. Die Arbeitsgruppe Halle leitete ab 1963 Hugo Weinitschke, in dessen Nachfolge 1968 Peter Hentschel trat. Die Leitung der Arbeitsgruppe Potsdam übernahm 1962 Karl Heinz Großer, Nachfolger waren 1986 Lutz Reichhoff[20] und 1988 Matthias Hille. Leiter der Arbeitsgruppe Greifswald war ab 1963 Harry Schmidt, dem 1970 Gerhard Klafs folgte.

Die einzelnen Zweigstellen gaben für ihren Bereich gemeinsam mit den jeweiligen Räten der Bezirke regionale Naturschutzzeitschriften heraus, in denen insbesondere praktische Fragen des Naturschutzes behandelt wurden und sowohl der staatliche als auch der ehrenamtliche Naturschutz nebeneinander publizieren konnten. 1958 erschien das erste Heft der "Naturschutzarbeit in Mecklenburg", ab 1959 "Naturschutz und naturkundliche Heimatforschung in Sachsen", ab 1963 die "Naturschutzarbeit und naturkundliche Heimatforschung in den Bezirken Halle und Magdeburg", 1964 "Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen" und 1965 "Naturschutzarbeit in Berlin und Brandenburg". Seit 1961 erschien darüber hinaus unter der Redaktion des ILN und der Herausgeberschaft der DAL/AdL das "Archiv für Naturschutz und Landschaftsforschung", das stärker auf wissenschaftliche Fragen und Beiträge ausgerichtet war.

Mit den sozialistischen Nachbarländern entwickelten sich vielfältige fachliche und institutionelle Beziehungen. Eine fruchtbare internationale Zusammenarbeit, die darüber hinausging, konnte das ILN erst nach 1970 auf der Grundlage entsprechender gesetzlicher Bestimmungen (Naturschutzverordnung von 1970) pflegen.

Ab Mitte der 1950er Jahre wurden in der Deutschen Demokratischen Republik Biologische Stationen eröffnet oder wieder eröffnet. Ab Mitte der 1960er Jahre gab es neben dem ILN und seinen Zweigstellen oder Arbeitsgruppen folgende biologische Stationen, die z. T. dem ILN zugeordnet waren und in denen sich Wissenschaftler und ehrenamtliche Helfer der angewandten ökologischen Forschung widmeten:

  1. die Vogelschutzwarte Seebach (Kreis Mühlhausen/Thüringen), deren Hauptaufgaben auf dem Gebiet der Angewandten Ornithologie lagen
  2. die Vogelschutzstation in Steckby (Kreis Zerbst/Sachsen-Anhalt)
  3. die Vogelschutzwarte Neschwitz (Sachsen), deren Arbeitsschwerpunkte faunistische und ökologische Untersuchungen in der Bautzener "Gefildelandschaft" und im Lausitzer Teich- und Heidewaldgebiet waren
  4. die Biologische Station in Serrahn (Mecklenburg), die vorwiegend Fragen der angewandten Ornithologie bearbeitete und unter deren Dach seit den 1960er Jahren auch hydrologische Untersuchungen durchgeführt und Grundsätze zur Pflege naturnaher Waldbiogeozönosen bearbeitet wurden
  5. die Biologische Forschungsanstalt Hiddensee, deren Arbeitsschwerpunkt die biologische Erforschung der südlichen Ostseeküste, besonders der Boddenlandschaft war. Die Abteilung Vogelwarte der Forschungsanstalt war die Zentrale für das Vogelberingungswesen der DDR. Sie war damit Leitstelle aller Untersuchungen über Vogelzug und Biologie der Vögel.
  6. die Vogelschutzinsel Langenwerder (zwischen der Insel Poel und der Halbinsel Wustrow), auf der pflanzengeographische, meteorologische und küstenmorphologische Daten gesammelt wurden
  7. die Außenstelle Müritzhof des Instituts für Forstschutz und Jagdwesen der Technischen Universität Dresden in Tharandt mit dem Arbeitsschwerpunkt faunistisch-ökologischer Untersuchungen im Müritz-Seen-Gebiet
  8. die Biologische Station Fauler Ort (ebenfalls in der Nähe des NSG „Ostufer der Müritz“) des Zoologischen Instituts der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die in erster Linie als Aufenthaltsort für Biologie-Studenten diente
  9. die Station der Forschungsstelle für Limnologie Jena-Lobeda am Stechlinsee nahe Rheinsberg, deren Mitarbeiter die ökologischen Folgen der Nutzung der Gewässer um Rheinsberg als Kühlwasserlieferanten für das Kernkraftwerk Rheinsberg untersuchten
  10. das Hydrobiologische Laboratorium Neunzehnhain (Kreis Marienberg/Sachsen), das der Forschung und Lehre im Fachgebiet Trinkwasserbiologie diente
  11. die Station Dölzig mit deren Außenstelle Finsterwalde, die 1967 dem ILN zugeordnet wurde und deren Analyseschwerpunkte die Probleme der Rekultivierung von Braunkohletagebauen waren

Bereits 1956 hatte sich unter dem Dach des ILN in Halle ein "Arbeitskreis zum Schutz vom Aussterben bedrohter Tiere" (AKSAT) gegründet und eine neue Bildungseinrichtung war ab 14. September 1954 die Zentrale Lehrstätte für Naturschutz in Müritzhof, in der dann bis 1990 viele tausende freiwillige Naturschutzhelfer weitergebildet wurden. Die Lehrstätte wurde durch Kurt und Erna Kretschmann eröffnet und bis 1960 geleitet. Als Leiter folgten bis 1975 Wilhelm Linke und danach bis 1990 Dieter Martin. 1956 wurde die Lehrstätte in den ordentlichen Staatshaushalt übernommen und 1966 dem ILN zugeordnet. In allen Biologischen Stationen und in Müritzhof arbeiteten zumeist lediglich ein bis zwei wissenschaftliche und durchschnittlich zwei technische Mitarbeiter.

Quelle Wikipedia

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