Das war die DDR

Rechtssystem der DDR

Wie die machtpolitischen Strukturen überhaupt war auch das Rechtssystem der DDR von dem in der Verfassung niedergelegten Führungsanspruch der SED geprägt. Eine auf die Unabhängigkeit der Gerichte gestützte Gewaltenteilung existierte nicht. Ebenso fehlte es an anderen rechtsstaatlichen Standards. So waren Rechtsanwälte in politisch motivierten Verfahren bei der Wahrnehmung der Interessen ihrer Mandanten willkürlichen Beschränkungen unterworfen: Akteneinsicht wurde nur teilweise gewährt, Mandantengespräche waren mitunter gar nicht oder nur in überwachter Form zugelassen.

Maßgeblich für die Rechtsprechung waren vor allem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung der DDR. Im Bereich des Strafrechts kriminalisierte die DDR-Justiz zum Teil auf Basis vager und unbestimmter Tatbestände wie "staatsfeindliche Hetze", "öffentliche Herabwürdigung", "Beeinträchtigung staatlicher und gesellschaftlicher Tätigkeit", "Rowdytum", "asoziales Verhalten" oder "ungesetzliche Verbindungsaufnahme" politisch unerwünschtes Verhalten.

Derart unscharf formulierte Tatbestände entsprachen nicht dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Hinzu kam eine extensive und kaum vorhersehbare Auslegung solcher Tatbestände. Besonders in den ersten Jahren der DDR wurden vielfach wegen "Boykotthetze" äußerst harte Strafen für objektiv harmlose Handlungen verhängt. Gerichte und die Staatsanwaltschaft der DDR waren in politisch bedeutsamen Verfahren aufgrund konkreter Vorgaben von Seiten der SED mitunter faktisch gezwungen, entgegen der Rechtslage zu handeln.

Die erste Verfassung aus dem Jahre 1949 enthielt noch demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien wie Gewaltenteilung, bestimmte Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung oder die Versammlungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit sowie Unabhängigkeit der Gerichte und der Rechtspflege. Einzelne Elemente blieben auch in den späteren Verfassungen der DDR erhalten, wurden aber tatsächlich nicht oder nur stark eingeschränkt gewährt.

Die geringe Bindungswirkung der Verfassung und die mangelnde Unabhängigkeit der Judikative zeigten sich u. a. in Geheimverfahren wie den Waldheimer Prozessen. Neben ihrem Einfluss auf die Gerichte nutzte die SED interne Parteiverfahren (u. a. Paul Merker) zur Sanktionierung von Mitgliedern. Dafür war die Zentrale Parteikontrollkommission zuständig.

Da keine effektive Verwaltungsgerichtsbarkeit existierte, waren Grundrechte nicht einklagbar - einen Rechtsschutz gegen das Handeln der staatlichen Organe (so wurden die staatlichen Behörden genannt) gab es nicht. Stattdessen hatten Bürger, die mit deren Maßnahmen oder Entscheidungen nicht einverstanden waren, seit 1975 die gesetzlich verbriefte Möglichkeit, Eingaben an Verwaltungen, beispielsweise den Rat der Stadt, an Parteigliederungen, die Volkskammer oder auch den Staatsrat zu richten. Einen Rechtsanspruch auf Erfüllung ihres Anliegens besaßen die Petenten (jemand, der eine Eingabe macht) nicht. Solche Eingaben konnten auch an Betriebe und andere Einrichtungen gerichtet werden.

Als gerechtfertigt angesehenen Eingaben wurde gegebenenfalls entsprochen, allerdings willkürlich und in für den Bürger oft nicht nachvollziehbarer Weise. Der Obrigkeit unliebsame Eingaben, vor allem in Bezug auf Ausreiseanträge, konnten zu Repressionen gegen die Antragsteller führen. Jährlich gingen schätzungsweise eine halbe bis eine Million solcher Eingaben bei Staat und Partei ein.

Das Planungsrecht war Ausfluss der parteikontrollierten Planwirtschaft, die Austragung von Konflikten verschiedener Gebietskörperschaften und Behörden, wie etwa bei Infrastrukturprojekten, im Umweltschutz und Denkmalrecht nicht vorgesehen beziehungsweise ungeregelt.

International eingegangene Verpflichtungen der DDR, z. B. die im Rahmen der KSZE anerkannte Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, verschafften Oppositionellen und Dissidenten formalrechtlich mehr Bewegungsspielraum. Das galt ähnlich für die 1968 in die DDR-Verfassung aufgenommene Freiheit des religiösen Bekenntnisses.

Die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches waren in der DDR zunächst übernommen worden. Die Volljährigkeit war allerdings bereits 1950 auf 18 Jahre herabgesetzt worden, abgeschafft wurde die obligatorische Amtsvormundschaft für uneheliche Kinder zugunsten der vollen elterlichen Gewalt der Mutter. 1966 wurde das Familienrecht in ein eigenständiges Gesetz, das Familiengesetzbuch ausgelagert und die Unterscheidung zwischen unehelichen und ehelichen Kindern abgeschafft.

Das (verbleibende) Bürgerliche Gesetzbuch wurde 1976 durch das Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik ersetzt. Eigentums-, Patent- und Erbrecht waren eng begrenzt, das Vertragsrecht war der Planwirtschaft verpflichtet. Wie in allen realsozialistischen Staaten bildete sich in der DDR ein gesellschafts- und fachübergreifendes Arbeitsrecht im Sinne eines Rechts auf Arbeit heraus. Dies entsprach dem Selbstverständnis der in den Traditionen der Arbeiterbewegung verankerten SED, wonach die Vermarktung der Arbeitskraft auf einem freien Arbeitsmarkt als Ausbeutung abgelehnt wurde.

Quelle Wikipedia

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