Das war die DDR

Zeitliche Entwicklung der DDR-Frauen- und Familienpolitik und ihrer Gesetzgebung

Vorwort

Um die ökonomische Leistungsfähigkeit der DDR zu sichern, richtete sich im Rahmen der formal-juristischen Gleichstellung von Frauen, das Hauptaugenmerk der Gesetzgebung zunächst einmal auf frauenspezifische Schutzrechte und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, um die Berufstätigkeit von Frauen zu fördern. Im Weiteren sollten Regelungen und familienpolitische Bestimmungen folgen, die angesichts des Geburtenrückganges in der DDR, die Verbindung von Mutterschaft und Berufstätigkeit für Frauen ermöglichen sollten, um den gesellschaftlichen Fortbestand der DDR zu sichern. Die Mischung ökonomischer und bevölkerungspolitischer Ziele fand dabei ihre ideelle Entsprechung im Leitbild der "werktätigen Frau und Mutter".

Nachkriegszeit

Auf Grund der Kriegstoten und Gefangennahmen infolge des Zweiten Weltkrieges bestand in der damaligen SBZ im Jahr 1945 ein demografischer Frauenüberschuss von 57,5 %. In der Zeitspanne von 1945 bis 1949 war es daher insbesondere erforderlich, Frauen zum Wiederaufbau und zur Produktion zu bewegen und rechtliche Voraussetzungen für die Gleichberechtigung der Geschlechter im Erwerbssektor zu schaffen. Der Gleichheitsgrundsatz der DDR-Verfassung schuf schließlich die Grundlage für die nahezu uneingeschränkte Einbeziehung der Frauen in den Erwerbssektor und deren berufliche Qualifikation. So heißt es in der DDR-Verfassung vom 7. Oktober 1949:

Artikel 7: "Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen sind aufgehoben."

Artikel 18: "... Mann und Frau ... haben bei gleicher Arbeit das Recht auf gleichen Lohn. Die Frau genießt besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis. Durch Gesetz der Republik werden Einrichtungen geschaffen, die es gewährleisten, dass die Frau ihre Aufgabe als Bürgerin und Schaffende mit ihren Pflichten als Frau und Mutter vereinbaren kann ..."

Durch den Mangel an männlichen Arbeitskräften fehlten in der Nachkriegszeit insbesondere Facharbeiter und Arbeitskräfte für schwere körperliche Arbeiten. Zudem waren "weiblich" dominierte Arbeitsplätze etwa in der Verwaltung oder der Textilindustrie nach 1945 stark dezimiert worden, so dass Frauen zunehmend in typisch "männlichen" Berufszweigen eingesetzt wurden. Hierzu war es notwendig, den traditionellen Vorstellungen und Vorurteilen bezüglich der Berufstätigkeit von Frauen entgegenzuwirken und Frauen entsprechend zu qualifizieren.

1950er - Jahre

Von 1949 bis 1957 stieg der Frauenanteil im Erwerbsleben wiederum an, wenngleich der Frauenanteil an der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter auf Grund der ersten großen Fluchtwelle seit der Gründung der DDR und der Rückkehr von Männern aus der Kriegsgefangenschaft gesunken war. In dieser Phase des Beginns der Planwirtschaft (erster Fünfjahresplan 1951–1955) ging es in erster Linie um den Wiederaufbau der Industrie und somit um den gelenkten Einsatz von Frauen in wirtschaftlich relevante Zweige wie Bauwesen, Elektroindustrie, Feinmechanik und Maschinenbau.

Frau am Schaltrad
Frau am Fernschreiber
Frau auf Mähdrescher
 

Neben der Verbesserung der Arbeitsbedingungen wurde auch auf "moralischer" Ebene an das Verantwortungsbewusstsein der Frauen appelliert. Die Berufstätigkeit wurde dabei als inneres Bedürfnis aller Menschen und als immanenter Bestandteil der Persönlichkeitsentfaltung dargestellt. Zudem wurde in dieser Zeit insbesondere am ideologischen Unterbau für die Berufstätigkeit der Frauen gearbeitet, und die Erwerbsbeteiligung zum alleinigen Maßstab der Gleichberechtigung der Geschlechter erklärt. Praktisch gesehen erschwerten den Frauen insbesondere die fehlenden bzw. mangelhaften Kinderbetreuungseinrichtungen, die Verbindung von Familie und Berufstätigkeit. Die wichtigste Neuerung im Bereich der Gesetzgebung zur Frauen- und Familienpolitik in dieser Zeit war 1950 die Verabschiedung des Gesetzes über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau.

1960er - Jahre

Die bis zum Mauerbau 1961 anhaltende Fluchtbewegung in Richtung Westdeutschland, insbesondere junger und qualifizierter Menschen, führte zu einer Überalterung der Bevölkerung und einem Arbeitskräftemangel in der DDR. In der Zeit von 1949 bis 1961 verließen 2,7 Millionen Menschen die DDR, dies entsprach 14 % der ursprünglichen Bevölkerungszahl. Auf Grund dieser Entwicklungen wurde die Erwerbstätigkeit der Frauen für den Fortbestand der DDR unverzichtbar. Waren es in der Zeit vor 1958 insbesondere alleinstehende Frauen, die aus ökonomischen Zwängen heraus berufstätig sein mussten, richtete sich das Hauptaugenmerk der Regierung nun auf verheiratete Frauen und Mütter, die durch ihre Ehepartner bis dato materiell abgesichert waren. Das Gesetz über die Abschaffung der Lebensmittelkarten vom 28. Mai 1958 führte zu einem starken Anstieg der Lebensmittelpreise. Zudem wurde eine nicht berufstätige Ehefrau im Lohnsteuersystem der DDR nicht berücksichtigt, so dass jetzt auch verheiratete Frauen finanziell darauf angewiesen waren, zu arbeiten.

Aufgrund der zunehmenden Technisierung und Automatisierung wurde die Qualifizierung der weiblichen Arbeitskräfte immer wichtiger. In diesem Zusammenhang rückte ab Ende der 1950er-Jahre auch die enge Verbindung zwischen Frauenerwerbstätigkeit und Familie in den Fokus der Frauenpolitik. So wurde seit Beginn der 1960er-Jahre die Überlegenheit der kollektiven Krippenerziehung gegenüber der familialen Erziehung von Regierungsseite in den staatlich kontrollierten Medien betont, um die Bedenken berufstätiger Mütter gegenüber institutionalisierten Erziehungseinrichtungen auszuräumen. Die Bemühungen um verbesserte Dienstleistungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen blieben zu dieser Zeit jedoch noch auf einem relativ bescheidenen Niveau, so dass eine große Anzahl der erwerbstätigen Mütter nur einer Teilzeitbeschäftigung nachging bzw. nachgehen konnte. Um Frauen zu Qualifizierungsmaßnahmen zu motivieren, wurde das Gleichberechtigungskonzept der Geschlechter ideologisch modifiziert. Wurde in den Jahren zuvor die Berufstätigkeit der Frauen als allein ausreichendes Mittel zur geschlechtlichen Gleichberechtigung propagiert, so bestimmte jetzt die von den Frauen erworbene Qualifikation und ihre berufliche Stellung den Grad ihrer Gleichberechtigung.

Handelte es sich in den beiden vorangegangenen Jahrzehnten auf Grund der wirtschaftlichen Lage in erster Linie um eine Frauenarbeitspolitik, so begann 1965 mit der Verabschiedung des ersten Familiengesetzbuches der DDR eine eigenständige Familienpolitik.

Ehe und Familie wurden in diesem Zusammenhang als Einheit betrachtet zu einer elementaren und alternativlosen Form der "sozialistischen Lebensweise" erklärt. Bezogen auf die Beziehungen zwischen den Ehepartnern wurde formuliert, dass die Aufnahme einer Berufstätigkeit, die Teilnahme an einer Weiterbildung oder die Übernahme von gesellschaftlicher Arbeit durch den Ehepartner zu unterstützen sei (§ 10 (2)). Auf formal-juristischer Ebene wurde damit in der DDR Abschied von der Hausfrauen-Ehe genommen.

Die Funktion der Familie als Sozialisationsinstanz rückte dabei wieder stärker in den Vordergrund. Zur Umsetzung des neu formulierten Familienleitbilds wurde erstmals Kindergeld für kinderreiche Familien ausbezahlt. Neben dem Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen wurden zur Entlastung von Haushalten auch zusätzliche Wäschereien eingerichtet und vermehrt technische Haushaltsgeräte produziert. Mit dem 1965 verabschiedeten Gesetz über das einheitliche Bildungssystem und weiteren Qualifizierungsmaßnahmen zur Aus- und Weiterbildung, sollten Frauen Voraussetzungen für insbesondere technische Berufe und mittlere und leitende Tätigkeiten erwerben können, wobei berufstätigen Müttern Sonderrechte eingeräumt wurden.

1970er - Jahre

In den 1970er Jahren richtete sich, auf Grund des Geburtenrückgangs, der Verringerungen der Anzahl an Eheschließungen und dem Anwachsen der Scheidungszahlen in der DDR, das Hauptaugenmerk der Staats- und Parteiführung auf das bereits im Familiengesetzbuch von 1965 festgeschriebene Ideal der Kleinfamilie mit zwei bis drei Kindern. Um Anreize für (möglichst frühe) Eheschließungen und Geburten zu schaffen, beschloss die SED-Regierung 1972 die Einführung des zinslosen "Ehekredits" in Höhe von 5000 Mark, der gewährt wurde, wenn die Paare bei der Eheschließung jünger als 26 Jahre alt waren und zum ersten Mal heirateten. Dieser Kredit konnte durch die Geburt von Kindern "abgekindert" werden, das heißt, die zurückzuzahlende Summe reduzierte sich pro Kind in Stufen um 1000 / 1500 / 2500 Mark und war so mit der Geburt des dritten Kindes vollständig erlassen. Zusätzlich wurden weitere Maßnahmen ergriffen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen zu erleichtern.

Seit 1972 wurde bei der Geburt jedes Kindes eine Beihilfe von 1000 Mark gezahlt, der Schwangerschafts- und Wochenurlaub wurde auf 18 Wochen ausgedehnt und alleinstehenden Müttern und kinderreichen Familien wurden Sonderrechte eingeräumt, insbesondere die finanzielle Unterstützung bei der Betreuung kranker Kinder und die Bevorzugung bei der Vergabe von Wohnraum und Krippenplätzen. 1972 erfolgte durch das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft jedoch auch die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, ungeachtet des staatlichen Ziels der Geburtensteigerung. Hinzu kam die kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln an sozialversicherte Mädchen und Frauen ab 16 Jahren. Bereits seit dem Jahr 1965 war die Antibabypille in der DDR verfügbar.

1976 wurde auf dem IX. Parteitag der SED, wegen des weiterhin bestehenden Konflikts zwischen Geburtenförderung einerseits und der wirtschaftlich notwendigen Vollerwerbstätigkeit der Frauen und Mütter andererseits, ein zweites Sozialpaket verabschiedet, das in den 1980er Jahren ergänzt wurde. Selbst wenn aus bevölkerungspolitischen Interessen heraus nun auch alleinerziehende Mütter zusehends gefördert wurden, blieb doch das DDR-Ideal der Zwei-bis-Drei-Kind-Familie mit voll berufstätigen Ehepartnern im Vordergrund und so wurde, als Reaktion auf das gestiegene Heiratsalter und die wachsende Anzahl von Zweitehen, der "Ehekredit" auf 7000 Mark erhöht und der Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert. Bei den weiteren Sozialmaßnahmen handelte es sich im Wesentlichen um zeitliche Regelungen mit finanziellem Ausgleich. So wurde Frauen mittels der "Vereinbarkeitsregelung" der Erziehungsurlaub, zunächst ab der Geburt des zweiten Kindes, bei voller Lohnfortzahlung für ein Jahr gewährt. Das Kindergeld wurde erhöht, der Mutterschutz erweitert und die bezahlte Freistellung zur Pflege kranker Kinder eingeführt.

1980er - Jahre

Ab 1986 konnte das bezahlte "Babyjahr" bereits beim ersten Kind in Anspruch genommen werden und zudem bei der Geburt des dritten Kindes noch einmal um ein halbes Jahr verlängert werden. Auch konnten nun Väter das bezahlte "Babyjahr" in Anspruch nehmen. Des Weiteren wurde die 40-Stunden-Woche für vollbeschäftigte Frauen mit zwei Kindern ohne Lohnminderung, der bezahlte monatliche "Hausarbeitstag" für vollbeschäftigte unverheiratete Frauen ohne Kinder ab dem 40. Lebensjahr und die Erhöhung des Grundurlaubes gemessen an der Kinderzahl eingeführt. All diese Maßnahmen sollten dazu dienen, berufstätigen Müttern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern, um somit der steigenden Tendenz zur Teilzeitarbeit bei Frauen entgegenzuwirken und diese stattdessen zur Vollbeschäftigung zu motivieren. Hinzu kam eine verstärkte staatliche Propaganda, welche Vollzeitarbeit als moralische Pflicht darstellte, deren identitätsstiftendes Moment betonte und zudem gleich lange Arbeitszeiten zum wesentlichen Kriterium der geschlechtlichen Gleichstellung erklärte.

All diese gesetzlichen Veränderungen führten zu einer gesellschaftlichen und sozialpolitischen Privilegierung berufstätiger Mütter. Deren nun auch offiziell anerkannte Doppelzuständigkeit kam in der häufig strapazierten Sprachformel von der "werktätigen Frau und Mutter" zum Ausdruck. Da sich die politischen Förderungsmaßnahmen ausschließlich an berufstätige Frauen mit Kindern richteten, setzte sich umgangssprachlich der Begriff "Muttipolitik" durch.

Die Einführung des bezahlten "Babyjahres" entschärfte zwar zum einen den Zeitkonflikt der Frauen und sie genossen nun als Mütter, die den gesellschaftlichen Fortbestand sicherten, ein vergleichsweise höheres Ansehen. Zum anderen wurden Frauen jedoch auf Grund der vorhersehbaren einjährigen Arbeitspause und der finanziellen Mehrkosten (die Betriebe mussten einen Teil der "Vereinbarkeitsregelung" selbst zahlen) zum "wirtschaftlichen Risikofaktor" für die Betriebe und daher nicht selten mit weniger anspruchsvollen Aufgaben betraut, als ihre männlichen Kollegen mit vergleichbarer Kompetenz.

Quelle Wikipedia

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