Das war die DDR

Organisation des Ministerium für Staatssicherheit (MfS)

Gemessen an der Bevölkerungszahl war das MfS der größte geheimpolizeiliche Sicherheitsapparat in der Geschichte der Menschheit. Das MfS-Personal bestand ausschließlich aus hauptamtlichen Mitarbeitern. Das MfS begann 1950 mit etwa 2700 Mitarbeitern und endete im Oktober 1989 mit über 91.000 hauptamtlichen Mitarbeitern (davon zirka 10.000 in der Auslandsspionage). Zu den hauptamtlichen Mitarbeitern gehörten Berufsoffiziere und -unteroffiziere, Unteroffiziere und Soldaten auf Zeit im Wehrdienstverhältnis, "Offiziere im besonderen Einsatz" (OibE), "Hauptamtliche Inoffizielle Mitarbeiter" (HIM) und eine geringe Zahl Zivilbeschäftigter. Daneben unterhielt der Stasi-Apparat ein Heer von rund 200.000 heimlichen Zuträgern, die inoffiziellen Mitarbeiter (IM), die in Eigeninitiative arbeiteten und sich zugleich allen Anweisungen ihrer hauptamtlichen Führungsoffiziere unterzuordnen hatten. Im Sprachgebrauch der SED wurde das MfS als "Schild und Schwert der Partei" bezeichnet.

Rekrutierung hauptamtlicher und inoffizieller Mitarbeiter

Selbstständige Bewerbungen von Bürgern wurden ignoriert. Das MfS wählte seine hauptamtlichen Mitarbeiter grundsätzlich individuell selbst aus und sprach die Kandidaten gezielt an. Im Vorfeld wurde jeder Anwärter einer strengen Überprüfung unterzogen und sämtliche Verwandten ersten Grades gründlichst durchleuchtet, womit eine feindliche Infiltration unterbunden werden sollte. Wichtigstes Auswahlkriterium für hauptamtliche Mitarbeiter war die politische Zuverlässigkeit. Man bevorzugte gehorsame sozialistische Persönlichkeiten mit klarem Klassenstandpunkt, also das, worauf die gesamte politische Erziehung im DDR-Schulsystem hinarbeitete. Kinder von Stasi-Mitarbeitern wurden bevorzugt eingestellt. Beim erzwungenen oder freiwilligen Eintritt in das Dienstverhältnis musste jeder Mitarbeiter einen Eid auf die Fahne der DDR und die Dienstflagge des MfS leisten, den Fahneneid. Darüber hinaus musste eine mehrseitige Verpflichtungserklärung unterschrieben werden, in der im Falle von Pflichtverletzungen schwerste Strafen, bis zur Todesstrafe, angedroht wurden. Man blieb für gewöhnlich bis zum Renteneintritt Stasi-Mitarbeiter. Allerdings lag das Renteneintrittsalter von hauptamtlichen Mitarbeitern meist weit unter dem offiziellen Renteneintrittsalter in der DDR.

Die Rekrutierung von inoffiziellen Mitarbeitern (IM) wurde im Stasi-Jargon "Werbung" genannt. Für die Werbung und spätere Führung eines IM zeichnete ein "IM-führender Mitarbeiter" oder ein "Führungsoffizier" verantwortlich. Sobald die Stasi aus einem bestimmten Bereich zusätzliche Informationen benötigte, wurden alle in diesem Bereich tätigen Personen konspirativ verlesen und von geeigneten Bürgern "IM-Vorlaufakten" angelegt. Daraufhin wurden potentielle IM-Kandidaten konspirativ überprüft.

Das beinhaltete die Sichtung der Schulkaderakte, die Befragungen des Lehrkörpers und anderer in der Erziehung tätiger Personen, die Überprüfung der gesellschaftlichen Aktivitäten (FDJ und GST), die vollständige Bespitzelung des gesamten Umgangs des Aspiranten, bis hin zur Befragung der Nachbarschaft durch einen Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei. Dann bahnte der Verbindungsoffizier ein oder mehrere "Kontaktgespräche" an. Wer Anwerbeversuche abwimmelte oder seine Spitzeltätigkeit beendete, hatte mit beruflichen und gesellschaftlichen Nachteilen zu rechnen.

Stasi-Anwärter wurden mit größeren Wohnungen, Autokäufen ohne die 15-jährige Lieferzeit, Lebensmitteln oder technischen Konsumgütern aus dem Westen, die es in der Mangelwirtschaft der DDR nicht gab, geködert. Mitunter wurde versucht die Werbung mit kompromittierenden Erkenntnissen zu erzwingen. Wurde ein Kandidat als IM verpflichtet, durfte er sich einen der Geheimhaltung dienenden Decknamen aussuchen, mit dem er seine zukünftigen Spitzelberichte zu unterschreiben hatte.

Hauptamtliche Mitarbeiter

Der hauptamtliche Apparat der Stasi hat im Laufe der Jahrzehnte einen gewaltigen Personalbestand aufgebaut. Verfügte der MfS-Vorgänger Verwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft 1949 über 1150 feste Mitarbeiter, so stieg diese Zahl bis zum 31. Oktober 1989 auf 91.015 hauptamtliche MfS-Mitarbeiter (darunter 13.073 Zeitsoldaten) an. Während seiner Existenz beschäftigte das MfS rund 250.000 Personen hauptamtlich, darunter rund 100.000 Zeitsoldaten (unter anderem des Wachregiments Feliks Dzierzynski).

Fast 85 Prozent der hauptamtlichen MfS-Mitarbeiter waren Männer. Frauen arbeiteten zumeist als Schreibkräfte, in der Kantine, in der Postfahndung der Abteilung M oder als Schwestern im medizinischen Bereich. Nur wenige Führungspositionen waren im MfS mit Frauen besetzt, nur in Ausnahmefällen waren Frauen als operative Mitarbeiter tätig. Die hauptamtlichen Mitarbeiter sahen sich selbst als Elite, die in der Tradition der sowjetrussischen Geheimpolizei Tscheka die DDR unerbittlich und mit Hass gegen deren Feinde verteidigen sollte.

In Bezug auf die Einwohnerzahl wird vermutet, dass das MfS mit einer Quote von einem hauptamtlichen Mitarbeiter auf 180 Einwohner (Stand: 1989) der "größte geheimpolizeiliche und geheimdienstlichen Apparat der Weltgeschichte" gewesen ist. Zum Vergleich: In der Sowjetunion kam 1990 ein KGB-Mitarbeiter auf 595 Einwohner. Die hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter bespitzelten sich gegenseitig und waren paradoxerweise die am besten überwachte Personengruppe in der DDR. Etwa 90 % aller Stasi-Mitarbeiter waren Mitglieder der SED.

Nach den Einstellungsrichtlinien des MfS war die Einstellung von früheren Wehrmachtsoffizieren, NSDAP- und SS-Mitgliedern sowie Mitgliedern des Polizei- und Geheimdienstapparates des NS-Staates nicht gestattet.

Inoffizielle Mitarbeiter

Hinzu kam ein Netz aus sogenannten inoffiziellen Mitarbeitern (IM). Anders als im Fall der hauptamtlichen Mitarbeiter war die Gesamtzahl der inoffiziellen Mitarbeiter keinem kontinuierlichen Anstieg unterworfen, sondern stieg im Kontext innergesellschaftlicher Krisen (17. Juni, Mauerbau, deutsch-deutsche Entspannungspolitik) sprunghaft an. In den Jahren 1975 bis 1977 erreichte das IM-Netz mit über 200.000 Mitarbeitern seine größte Ausdehnung.

Das Einführen einer veränderten IM-Richtlinie mit dem Ziel der weiteren Professionalisierung führte Ende der 1970er Jahre zu einer leicht sinkenden Anzahl von zuletzt 173.081 inoffiziellen Mitarbeitern (Stand: 31. Dezember 1988, ohne HV A). Im Laufe seiner Existenz führte das MfS rund 624.000 Menschen als inoffizielle Mitarbeiter.

Der überwiegende Teil der inoffiziellen Mitarbeiter war im Inland tätig. Agenten, die im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW) im Einsatz waren, wurden im offiziellen Sprachgebrauch Kundschafter des Friedens genannt. Über den Umfang des IM-Netzes im Ausland liegen nur Einzeldaten vor. So wird geschätzt, dass das MfS (einschließlich der HV A) zuletzt rund 3000 inoffizielle Mitarbeiter im "Operationsgebiet" Bundesrepublik sowie 300 bis 400 IMs im westlichen Ausland beschäftigte. Insgesamt wird die Zahl der Bundesbürger, die im Laufe seines Bestehens im Dienst des MfS standen auf rund 12.000 geschätzt. Quantitativ machten sie so unter den IM des MfS nur einen Anteil von nicht einmal zwei Prozent aus.

Ein Eintrag als IM ist zunächst nur als Indiz für eine Geheimdiensttätigkeit zu werten. Es kann nicht immer sicher ausgeschlossen werden, dass reine Kontaktaufnahmen des MfS durch einen Aktenbeleg als IM dokumentiert sind. Allein aus Vermerken und sonstigen Eintragungen auf Karteikarten lässt sich nicht immer zweifelsfrei feststellen, wie eng die Beziehung einer Person zum MfS war. Sie liefern nur Indizien. Die Geschehnisse können oft nur anhand der vernetzten Akten umfassend nachvollzogen werden. Beweisbar werden inoffizielle Tätigkeiten, wenn eindeutige Zuordnungen im System des MfS verankert wurden. So bieten die erhalten gebliebenen F-16- und F-22-Karteien im Zusammenhang mit Aktenfunden und persönlichen (nicht zwingend notwendigen) Verpflichtungserklärungen die im Stasiunterlagengesetz geforderte Belegsicherheit. Umfassende Unterlagen sind für manche IM noch erhalten, für andere vernichtet. Allerdings finden sich Querverweise in anderen Berichten, die ein Bild über die Tätigkeit eines IM geben können. Die Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit dem MfS ist häufig nicht mehr aufzufinden, da eine erhebliche Anzahl an Akten vor dem Zusammenbruch des Ministeriums vernichtet wurde. Der BStU ging 2011 davon aus, dass noch Tausende ehemalige Westspione unentdeckt sind.

Auslandsagenten

In den 40 Jahren von 1949 bis 1989 waren in der Bundesrepublik Deutschland etwa 12 000 West-Spione tätig. Zum Zeitpunkt des Zusammenbruches der DDR gab es in der Bundesrepublik Deutschland noch rund 2000 aktive MfS-Spione, wie die veröffentlichte Auswertung der sogenannten Rosenholz-Dateien im März 2004 ergab. Die Anzahl der IM, welche für die Hauptverwaltung Aufklärung in der DDR selbst tätig waren, wurde dabei mit 20.000 beziffert. Das MfS unterstützte in der Bundesrepublik Deutschland ihm nützlich erscheinende politische Kräfte. In West-Berlin versuchte das MfS Anfang der 1960er Jahre, die entstehende außerparlamentarische Opposition (APO) durch eine Parteigründung unter Einschluss der SEW zu kontrollieren, was jedoch scheiterte. Unter dem Decknamen "Gruppe Ralf Forster" bildete das MfS in der DDR ausgewählte Kader der DKP im Nahkampf und Sprengstoffeinsatz aus. Die Unterlagen des MfS zur "Gruppe Ralf Forster" wurden geschreddert und im Jahr 2004 wieder in der Birthler-Behörde rekonstruiert. Die Agenten der MfS-Abteilung für Spezialkampfführung sollten eine militärische Besetzung des "Operationsgebietes" durch Diversion, Spionage und Sabotage vorbereiten, sie waren in der Bundesrepublik und anderen westlichen Staaten aktiv, beispielsweise in der Schweiz mit dem Agentenpaar Müller-Hübner.

MfS und "Rote Armee Fraktion"

Darüber hinaus bildeten Mitarbeiter der HA XXII in den 1980er Jahren wiederholt RAF-Terroristen im Umgang mit Waffen und Sprengmitteln aus. Im Zusammenhang mit dem Attentat auf Frederick J. Kroesen erhielten Christian Klar, Adelheid Schulz und Helmut Pohl von Stasi-Leuten Waffen-Unterricht und übten das Schießen mit einer RPG-7-Panzerfaust. Diese paramilitärische Ausbildung sowie die von der Stasi bereit gestellten Waffen, Devisen und falschen Papiere erleichterten es RAF-Terroristen, Anfang der 1980er Jahre wieder Anschläge zu verüben. Am 31. August 1981 ließen sie eine Autobombe im Hauptquartier der United States Air Forces in Europe in Ramstein (Ramstein Air Base) explodieren. Siebzehn Menschen erlitten Verletzungen. Am 15. September 1981 feuerte Klar eine Panzerfaust-Granate auf das Fahrzeug des Oberbefehlshabers der amerikanischen Streitkräfte in Europa, General Frederick J. Kroesen. Die Granate traf den Kofferraum des gepanzerten Fahrzeugs, Kroesen wurde verletzt.

Das MfS unterhielt auch Kontakte zu der baskischen Terrororganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA) und zur IRA.

Acht Terroristen der Rote Armee Fraktion und zwei Personen aus deren Umfeld fanden in der DDR Unterschlupf, Schutz vor westlicher Strafverfolgung und erhielten eine legendierte Identität. Sie wurden rund um die Uhr überwacht und getrennt voneinander angesiedelt (keiner kannte Wohnort und neue Identität der anderen). Ein Planungspapier der Stasi von 1982 deutet nach Einschätzung von Wolfgang Kraushaar auf die Absicht der DDR hin, Terroristen der RAF gezielt für Tötungen, Geiselnahmen und Sprengstoffanschläge in der Bundesrepublik zu benutzen. Erich Mielke erwog, die in die DDR geflüchteten Terroristen der RAF in einem innerdeutschen Konflikt als Kämpfer "hinter den feindlichen Linien einzusetzen".

Kontrolle durch die SED

In der Praxis gingen alle Entscheidungen das MfS betreffend vom Politbüro aus, dessen Mitglied Erich Mielke war.

Einzige Ausnahme war die ZK-Abteilung für Sicherheitsfragen (Sicherheitskommission), die 1953 vom Politbüro eingerichtet wurde, um die Umsetzung der Parteitagsbeschlüsse in den "bewaffneten Organen" zu kontrollieren und das MfS in seiner politischen Arbeit anzuleiten. Diese Sicherheitskommission war für die Genehmigung sämtlicher höherer Personalentscheidungen (Beförderungen zum Oberst oder höher) verantwortlich. Damit sicherte sich die SED die Kontrolle über die Schlüsselstellungen innerhalb des MfS. Das bedeutete, dass Mielke innerhalb seines Ministeriums ebenfalls nicht gänzlich ohne Kontrolle war (es gab durchaus Ablehnungen von MfS-Personalvorschlägen).

Innerhalb der Organisation des MfS waren die Leiter der Bezirksverwaltungen gleichzeitig Mitglieder der SED-Bezirksleitungen. Das MfS war formal dem Ministerrat der DDR unterstellt, die Handlungsanweisungen an das Ministerium stammten hingegen von der Führung der SED und auf Bezirksebene von den 2. Sekretären, die zuständig für "Agitation und Sicherheit" waren.

Quelle Wikipedia

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