Das war die DDR

Naturschutz im Zeitraum 1982 bis 1989

Umweltprobleme – Merkmale des Niedergangs der DDR-Gesellschaft

Die Renaissance der Braunkohle, die Folgen ihres Einsatzes in der Chemieindustrie, der voranschreitende Verschleiß von Produktionsanlagen, die Nutzung der Braunkohle als Heizmaterial sowie die anhaltende Intensivierung der land- und forstwirtschaftlichen Landnutzung führten in den 1980er Jahren regional zu katastrophalen Umweltbedingungen, insbesondere im "mitteldeutschen" Industrierevier.

Die Energieträgerstruktur der DDR basierte Ende der 1980er Jahre zu 70 % auf Braunkohle, 12 % Erdöl und 10 % Erdgas. Sie hatte mit 233 GJ je Einwohner nach Kanada, den USA, den skandinavischen Ländern und Luxemburg den höchsten Bruttoinlandsverbrauch an Energie in der Welt. Die DDR hatte mit einem jährlichen Ausstoß von ca. 2,2 Mio. t Staub und 5,2 Mio. t Schwefeldioxid pro Flächeneinheit, bezogen auf diese Schadstoffe, die höchsten Belastungen aller europäischen Länder. Die Hauptverursacher der hohen SO2- und Staubemissionen in der Industrie war mit 58 % SO2 und 41 % Staub der Bereich Kohle und Energie, mit je 12 % SO2 und Staub der Bereich der Chemie. Die Immissionsbelastungen konzentrierten sich in den Bezirken Cottbus, Frankfurt/Oder, Halle, Karl-Marx-Stadt und Leipzig.

In vielen Fällen wurde im "mitteldeutschen Industrierevier" Ende der 1980er Jahre technisch-technologisch auf Vorkriegsniveau gearbeitet. Über die Hälfte der Anlagen in den großen Chemiewerken im Raum Halle/Leipzig, wie den Leuna- und Buna-Werken, war 1990 älter als 20 Jahre. Eine der Folgen war, dass ein großer Teil der Beschäftigten für Reparaturarbeiten eingesetzt werden musste. Für solche Arbeiten wurden auch Strafgefangene und Kriegsdienstverweigerer, so genannte "Bausoldaten", eingesetzt, zum Teil in besonders gefährdeten Bereichen.

Der Braunkohlentagebau und die Chemieindustrie, darin Produktionslinien (z. B. die Karbidproduktion), die in anderen Ländern aus ökonomischen und ökologischen Gründen eingestellt worden waren, waren für den größten Beitrag zur Umweltverschmutzung und Flächenvernutzung in den industriellen Problemregionen der DDR verantwortlich. Die zum Teil maroden Betriebe waren ein Hort von Gesundheitsproblemen, Arbeitsunfällen, Umweltgefährdungen und auch staatlicher Überwachung. Im Jahre 1989 waren in der DDR insgesamt 54,3 % der Wälder geschädigt, 16,4 % der Wälder waren dabei stark oder mittel, 37,9 % gering geschädigt. Für die Zeit zwischen 1987 und 1989 wurde im Umweltbericht der DDR eine Zunahme der geschädigten Waldflächen von 31,7 % auf 54,3 % festgestellt. Das geringe natürliche Wasserdargebot der DDR erforderte hohe Aufwendungen, um die Nutzungsfähigkeit der Wasserressourcen als Grundlage für eine qualitätsgerechte und stabile Wasserversorgung der Bevölkerung, der Industrie und Landwirtschaft sowie zum Schutz des Wassers in grenzüberschreitenden Wasserläufen und in der Ostsee zu gewährleisten. Die Beschaffenheit der Hauptwasserläufe der DDR war 1990 dadurch gekennzeichnet, dass von den klassifizierten Flussabschnitten nur 20 % für die Trinkwassergewinnung mit normalen Aufbereitungstechnologien nutzbar waren. 35 % waren nur mit komplizierten und ökonomisch sehr aufwändigen Technologien aufbereitbar und 45 % waren für eine Trinkwassergewinnung nicht mehr nutzbar. Anfang 1990 wurden in der Industrie 67 % des zu reinigenden Abwassers in Abwasserbehandlungsanlagen gereinigt. Im Kommunalbereich wurden 85 % der anfallenden Abwässer behandelt. 14 % des in die Gewässer eingeleiteten Abwassers waren ungereinigt. Die behandelten Abwässer wurden zu 36 % mechanisch und zu 52 % mechanisch-biologisch behandelt. Eine Phosphatbeseitigung erfolgte bei 14 % der gesamten Abwassermenge. Die Abwasseranlagen und -leitungen waren in großem Umfang in sanierungswürdigem Zustand. Von den vorhandenen 36.000 km Abwasserleitungen waren rund 26.000 km teilweise stark beschädigt. Mehr als die Hälfte der organischen Schadstofffracht wurde ohne Behandlung in die Gewässer eingeleitet. 1988 fielen in der DDR 91,3 Mio. t (1980 waren es noch 80 Mio. t) fester industrieller Abprodukte und Sekundärrohstoffe an. Davon wurden 39,9 % (1980 waren es 36,4 %) wiederverwertet. Ein Teil der verbleibenden 60,1 % war wegen absehbarer Verwertungsmöglichkeiten zur Rückführung in den volkswirtschaftlichen Kreislauf vorgesehen und wurde deshalb selektiv deponiert, während eine beträchtliche Menge nicht nutzbarer Abprodukte direkt oder über Zwischenstufen in die Umwelt abgegeben wurde. 1989 fielen ca. 3,5 Mio. t feste Siedlungsabfälle an, 2,9 Mio. t davon waren Hausmüll. 1989 existierte keine vollständige Übersicht über die Anzahl und den Zustand der genutzten Deponien und Ablagerungsflächen für industrielle Abprodukte und Siedlungsabfälle, laut einer Erhebung von 1988 bestanden mindestens 13.000 Ablagerungsflächen, davon ca. 2.000 Deponien für industrielle Abprodukte und ca. 11.000 Ablagerungsflächen für Siedlungsmüll. Die Investitionsmaßnahmen zur Abfallbeseitigung wurden zu 87 % auf die Schaffung bzw. Erweiterung von Kapazitäten für die schadlose Beseitigung industrieller Abprodukte gerichtet. Sie dienten damit der Sicherung der Produktionsdurchführung, vor allem in der Energiewirtschaft, in der chemischen Industrie und im Bergbau. Siedlungsmüll wurde weitestgehend dezentralisiert und zum größten Teil "wild" abgelagert. Von den ca. 11.000 Standorten für die Ablagerung des Siedlungsmülls besaßen nur 120 den Status einer geordneten Deponie, weitere 1.000 galten als kontrolliert und der Rest als "wild" angelegt und betrieben.

Geheimsache Umwelt und oppositionelle Umweltbewegung

Angesichts dieser sich abzeichnenden, erst 1990 im "Umweltbericht der DDR" bilanzierten Situation wurden Umweltdaten für die DDR-Regierung zu einer "brisanten Ware". Das Präsidium des Ministerrates der DDR erteilte am 16. November 1982 unter der Nummer 02-67/I.2/82 die "Anordnung zur Gewinnung oder Bearbeitung und zum Schutz von Informationen über den Zustand der natürlichen Umwelt in der DDR", mit der Daten zur Umwelt unter Verschluss gestellt wurden. Ergänzt wurde diese Anordnung am 27. April 1983 durch eine zweite. Diese Anordnungen waren ein Spiegelbild politischer Erstarrung und fehlender Dialogbereitschaft der SED-Führung.

Unter diesen Rahmenbedingungen wuchs eine oppositionelle bzw. autonome Umweltbewegung. Eine erste autonome Umweltgruppe war 1979 aus "Baumpflanzaktionen" kirchlicher Jugendkreise in Schwerin entstanden. Ab Anfang 1981 wurden von der Schweriner Gruppe um Jörn Mothes und Nikolaus Voss jährliche Ökologieseminare (Schweriner Winterseminare) ins Leben gerufen, die bis 1983 das wichtigste Podium für die organisatorische Vernetzung der Umweltbewegung waren. Die Kirche war nahezu der einzige Raum, wo eine unabhängige Ökologiebewegung entstehen konnte. Zu einem organisatorischen Zentrum der Bewegung wurde dann das Kirchliche Forschungsheim in Wittenberg, das 1981 das erste Heft der Zeitschrift "Briefe zur Orientierung im Konflikt Mensch-Erde" herausgab. Seit 1983 gab es im Kirchlichen Forschungsheim auf Initiative der Kirche jährliche Treffen von Vertretern kirchlicher Umweltgruppen. Am 2. September 1986 gründete sich eine "Umwelt-Bibliothek" im Umfeld der Zionsgemeinde in Berlin auf Initiative von Mitgliedern eines vorher bestehenden Friedens- und Umweltkreises der Pfarr- und Glaubensgemeinde in Berlin-Lichtenberg, die im gleichen Jahr das erste Heft der "Umweltblätter" herausgab. Die unabhängigen Umweltgruppen umfassten 1985 bis 1989 ca. 60 bis 65 Gruppen mit 550 bis 850 Personen. 1988 vernetzten sie sich zum "Netzwerk Arche", 1990 dann zur "Grünen Liga".

Zu den Schwerpunkten der Arbeit dieser Gruppen gehörten regionale Protestaktionen insbesondere im Umfeld von "Kohle, Chemie, Waldsterben, Autobahnbau, Müll, Uran, KKW und LPG". Das Wachstum der Umweltgruppen korrespondierte mit der fehlenden Integrationskraft beispielsweise des Kulturbundes. Die dort am 27. Mai 1980 gegründete "Gesellschaft für Natur und Umwelt" sollte nicht nur den Naturschützern eine Heimstatt bieten, sondern auch den Umweltbewegten, die sich insbesondere mit städtisch-industriellen Umweltproblemen befassten und sich in Arbeitsgruppen oder Interessengemeinschaften Stadtökologie sammelten. 1987 wurden in einer Kulturbund-Statistik 380 Stadtökologie-Gruppen mit 7.000 Mitgliedern gezählt. Diese Heimstattfunktion erfüllte der Kulturbund jedoch für diese Gruppen nicht.

Die geschilderten Umweltprobleme und die Arbeit der autonomen Umweltbewegung sowie der kritischen Umweltgruppen im Kulturbund trugen dazu bei, dass "gesunde Umwelt" 1989 in der Werteskala der Bürger und Bürgerinnen der DDR eine Spitzenposition einnahm. Die Naturschutzorganisation in der DDR war den wachsenden Umwelt- und Naturschutzproblemen nicht gewachsen. Der allgemeine Personalmangel in der Naturschutzverwaltung setzte sich in den 1980er Jahren fort. Ohne die Arbeit der Ehrenamtlichen und Freiwilligen im Naturschutz hätte sich nichts bewegt.

Quelle Wikipedia

Seite 127 von 389

Hier geht's zum Podcast "Eliten in der DDR" bei MDR.DE