Das war die DDR

1. Durchführungsverordnung zum Gesetz Nr. 4 zur Sicherung des Friedens vom 21. Februar 1947

Regierungsblatt für Mecklenburg 1947 S. 26

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Zur Durchführung des Gesetzes Nr.4 zur Sicherung des Friedens vom 16. August 1946 - Amtsblatt Seite 98 - hat der Landtag die folgende Verordnung erlassen, die hiermit verkündet wird:

§ 1

Die auf Liste A (Enteignung) verwiesenen gewerblichen Betriebe, Beteiligungen, Rechte und Vermögenswerte (§ 2 des Gesetzes Nr. 4) werden mit Wirkung vom 31. Oktober 1946 in das Eigentum des Landes übernommen.

§ 2

Die gemäß Beschluß der Landeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme, einen Vermögensgegenstand auf Liste A (Enteignung) zu verweisen, erfolgte Enteignung bezieht sich auf alle Werte des Anlage- und Umlaufvermögens eines Betriebes.
Von der Enteignung wird auch das private Vermögen des Betriebsinhabers erfaßt mit Ausnahme der Haushalts- und Einrichtungsgegenstände und der zum persönlichen Gebrauch bestimmten Sachen, soweit es sich nicht um Luxusgegenstände handelt.

§ 3

Ist nur der Anteil eines Mitinhabers an einem gewerblichen Unternehmen durch Beschluß der Landeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme auf Liste A verwiesen und daher von der Enteignung betroffen, so wird der Anteil des Betroffenen am Betriebsvermögen enteignet, der seinem Kapitalanteil am gesamten Betriebskapital entspricht. Der Kapitalanteil ist nach einer aufzustellenden Liquidationsbilanz per 31. Oktober 1946 festzusetzen.
Der Anteil des Mitinhabers, der von der Enteignung nicht betroffen wurde, kann von der Hauptverwaltung Landeseigene Betriebe gegen Bezahlung übernommen werden.

§ 4

Mit der Enteignung fallen gemäß § 2 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 4 zur Sicherung des Friedens die bis zum 9‚ Mai 1945 entstandenen Verbindlichkeiten einschließlich der dinglichen Lasten fort. § 2 Absatz 2 Satz 1 des Gesetzes Nr.4 wird nicht angewandt, wenn Gläubiger der Verbindlichkeit Ausländer ist.
Die Ansprüche des Gläubigers gegen den bisherigen Schuldner (den von der Enteignung Betroffenen) bleiben gemäß § 2 Absatz 2 Satz 3 des Gesetzes Nr. 4 zur Sicherung des Friedens unberührt. Diejenigen Verbindlichkeiten, die im normalen Geschäftsgang seit dem 9. Mai 1945 entstanden sind, werden von der Hauptverwaltung Landeseigene Betriebe (§ 6) oder von derjenigen natürlichen oder juristischen Person übernommen, die gemäß § 6 des Gesetzes Nr. 4 und § 7 dieser Verordnung Eigentümer wird.
Soweit ein von der Enteignung Betroffener oder in seinem Namen eine andere Person Vermögenswerte durch Rechtsgeschäft oder unerlaubte Handlung der Enteignung entzogen hat oder entzieht, ist die Verfügung über die Gegenstände nichtig.

§ 5

Die Tatsache der Enteignung ist den Betroffenen durch schriftlichen Bescheid bekanntzugeben. Die Mitteilung hat unter kurzer Angabe der Gründe zu enthalten, daß durch Beschluß der Landeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme, die aus Vertretern der drei antifaschistisch-demokratischen Parteien, des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer zusammengesetzt war, die Verweisung auf Liste A (Enteignung) erfolgt ist. Die Mitteilung wird von dem Ministerpräsidenten und dem Minister für Innere Verwaltung und Planung unterzeichnet. Die Mitteilung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes.
Ist der Betroffene abwesend, das heißt nicht an seinem bisherigen Wohnsitz aufhaltsam oder unauffindbar, oder ist aus einem anderen Grunde die Mitteilung nicht zustellbar, so wird die Mitteilung eine Woche lang bei der Verwaltung des zuständigen Stadt- oder Landkreis öffentlich ausgehängt. Der Zeitpunkt des Beginns der Aushängung und der Abnahme der Mitteilung von der Aushangtafel ist durch einen Angehörigen der Verwaltung des Stadt- oder Landkreises zu beurkunden. Durch den öffentlichen Aushang beim Landratsamt oder bei der Stadtverwaltung wird die Zustellung der Mitteilung über die erfolgte Enteignung ersetzt.

§ 6

Die Verwaltung der enteigneten und in das Eigentum des Landes Mecklenburg übergegangenen Betriebe wird der »Hauptverwaltung Landeseigene Betriebe« übertragen.

§ 7

Soweit nach § 6 des Gesetzes Nr. 4 zur Sicherung des Friedens das Land Mecklenburg Betriebe oder Vermögenswerte ganz oder teilweise an Dritte überträgt, erfolgt die Eigentumsübertragung nach Zustimmung des Landtages durch das Ministerium für Innere Verwaltung und Planung.
Die Übertragung darf nur an antifaschistische, demokratische Organisationen und Personen, gegen die keine politischen oder sonstigen Bedenken bestehen, erfolgen.
Regelmäßig soll vor der Übertragung das Ministerium für Wirtschaft sowie die städtische oder landrätliche Verwaltung, in deren Bezirk der Betrieb oder der Vermögenswert sich befindet, gehört werden.

§ 8

Die Änderung der Eintragung der Eigentumsverhältnisse im Grundbuch für diejenigen Betriebe und Vermögenswerte, die gemäß § 2 des Gesetzes Nr. 4 zur Sicherung des Friedens in das Eigentum des Landes Mecklenburg (Hauptverwaltung Landeseigene Betriebe) übergegangen sind, erfolgt auf Grund einer Urkunde, die von dem Ministerpräsidenten und dem Minister für Innere Verwaltung und Planung unterzeichnet ist.
Die Urkunde hat den Namen des bisherigen Eigentümers sowie die Feststellung zu enthalten, daß das Grundstück gemäß Beschluß der Landeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme, es auf die Liste A (Enteignung) zu verweisen, enteignet und in das Eigentum des Landes übergegangen ist.
Wird gemäß § 6 des Gesetzes Nr. 4 das Eigentum auf Dritte weiter übertragen, so genügt zur Umschreibung im Grundbuch die Vorlage der im § 8 Absatz 1 dieser Verordnung bezeichneten Urkunde mit einer Abtretungserklärung der Landesregierung, durch welche das durch die Urkunde verbriefte Eigentumsrecht auf den Dritten übertragen wird.

§ 9

Für eine Änderung der Eintragung im Handelsregister gilt § 8 sinngemäß.

§ 10

Die Rückgabe der durch Beschluß der Landeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme auf die Liste B (Rückgabe) verwiesenen Betriebe, Beteiligungen, Rechte und sonstigen Vermögenswerte ist dem bisherigen Eigentümer mittels eingeschriebenen Briefes bekanntzugeben.
Die Bestimmungen im § 5 dieser Verordnung über die Mitteilung bei enteigneten Betrieben finden sinngemäß Anwendung.

§ 11

Wer die Rückgabe eines durch Beschlag der Landeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme auf die Liste B verwiesenen und daher zurückzugebenden Betriebes oder sonstiger Vermögenswerte nicht vornimmt oder verhindert, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bis zu 10 000 RM oder mit einer dieser Strafen bestraft. Der Versuch ist strafbar.
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Antragsberechtigt ist das Ministerium für Innere Verwaltung und Planung.

§ 12

Die Gewinne aus den Betrieben, die unter Sequestration standen, aber durch Beschluß der Landeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme auf Liste B verwiesen sind, stehen der Landesregierung Mecklenburg für die Dauer der Sequestration zu. Die Rückgabe an den bisherigen Eigentümer erfolgt unter Ausschluß von Ersatzansprüchen in dem Zustande, in dem der Betrieb sich befindet.
Der Treuhänder ist dem Ministerium für Innere Verwaltung und Planung zur Rechnungslegung für die Zeit der Treuhandschaft verpflichtet. Die gleiche Verpflichtung trifft den Eigentümer, wenn ein Treuhänder nicht bestellt war. Das Ministerium für Innere Verwaltung und Planung erteilt nach Prüfung dem Treuhänder oder Eigentümer Entlastung. Die Erfüllung der im normalen Geschäftsgang während Bestehens der Treuhandschaft entstandenen Verbindlichkeiten obliegt dem Eigentümer.
Ist durch die während der Sequestration geführte treuhänderische Verwaltung der Stand des Betriebes wesentlich verbessert worden, so hat der Eigentümer den Wert der Verbesserung in Geld an das Land Mecklenburg zu zahlen. Die Höhe des Entgeltes bestimmt das Ministerium für Innere Verwaltung und Planung nach Anhörung eines von der Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer namhaft zu machenden Sachverständigen. Die Kosten für die Tätigkeit des Sachverständigen trägt der Eigentümer.
Das Ministerium für Innere Verwaltung und Planung kann von dem von dem Eigentümer zu zahlenden Entgelt dem bisherigen Treuhänder nach Ermessen eine Prämie für hervorragende Leistungen gewähren.

§ 13

Ist ein bisher abwesender Eigentümer, dessen Betrieb sequestriert war, aber durch Beschluß der Landeskommission für Sequestrierung und Beschlagnahme auf Liste B verwiesen ist, zurückgekehrt, und hat während der Abwesenheit des Eigentümers ein Selbstverwaltungsorgan oder die Hauptverwaltung Landeseigene Betriebe einen Miet- oder Pachtvertrag über das sequestriert gewesene Eigentum abgeschlossen, so wirkt der Vertrag von dem Zeitpunkt der Rückkehr des Eigentümers für und gegen diesen.
Ist der Miet- oder Pachtvertrag für eine längere Zeit als 5 Jahre abgeschlossen, so ist der Eigentümer berechtigt, den Vertrag auf einen Zeitpunkt zu kündigen, der 5 Jahre nach dem Beginn des Miet- oder Pachtvertrages liegt.
Für Heimkehrer, die nicht der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen angehört haben, ermäßigt sich die Frist des Absatzes 2 auf höchstens ein Jahr nach erfolgter Rückkehr.

§ 14

Für die nach § 4 des Gesetzes Nr. 4 zur Sicherung des Friedens auf Liste C (Verwaltung) verwiesenen herrenlosen oder als herrenlos bezeichneten Betriebe wird die amtliche Verwaltung eingeführt. Die Verwaltung erfolgt durch die Hauptverwaltung Landeseigene Betriebe.
Die Verwaltung hat mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und nach kaufmännischen Grundsätzen zu erfolgen. Die Verwaltung erfolgt für Rechnung dessen, den es angeht. Für die Verwaltung wird eine angemessene Gebühr erhoben.
Die Verwaltung endet, wenn entweder der Betrieb oder der Vermögenswert dem bisherigen Eigentümer oder dessen Rechtsnachfolger zurückgegeben wird oder eine Enteignung zugunsten des Landes Mecklenburg ausgesprochen wird.

§ 15

Die Landeskommission für amtliche Verwahrung wird gemäß §§ 4,8 des Gesetzes Nr.4 zur Sicherung des Friedens durch die Landesregierung, Ministerium für Innere Verwaltung und Planung, berufen. Die im § 4 Absatz 3 des Gesetzes Nr. 4 zur Sicherung des Friedens genannten Parteien und Organisationen haben auf Ersuchen des Ministeriums für Innere Verwaltung und Planung die Mitglieder für die Landeskommission für amtliche Verwahrung namentlich zu benennen Die Landeskommission für amtliche Verwahrung tagt nach Bedarf. Sie tritt mindestens einmal jährlich im April zusammen. Den Vorsitz führt ein Vertreter der Landesregierung, der vom Ministerium für Innere Verwaltung und Planung bestimmt wird.
Die Landeskommission für amtliche Verwahrung faßt ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit. Über die Sitzung ist ein Protokoll aufzunehmen, das von den Mitgliedern der Landeskommission zu unterzeichnen ist.
Zu den Sitzungen der Landeskommission kann die Hauptverwaltung Landeseigene Betriebe hinzugezogen werden.
Die Hauptverwaltung Landeseigene Betriebe ist an die Beschlüsse der Landeskommission für amtliche Verwahrung gebunden.

§ 16

Soweit gemäß § 2 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 4 zur Sicherung des Friedens der Ministerpräsident nach billigem Ermessen an dritte Personen, die durch die Enteignung einen Schaden erleiden, eine Entschädigung gewähren kann, soll diese nur gewährt werden, wenn der Betroffene bedürftig und würdig ist.
Würdigkeit liegt dann nicht vor, wenn die eine Entschädigung beantragende Person Faschist war oder zu erkennen gegeben hat, daß sie die demokratische Zielsetzung des neuen Deutschlands sabotiert oder mit ihr nicht einverstanden ist.

§ 17

Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.

Schwerin, den 21. Februar 1947

Der Präsident des Landtages für Mecklenburg
Moltmann

Regierungsblatt für Mecklenburg 1947 S. 26

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