Das war die DDR

Gesetz Nr. 4 des Kontrollrats der Alliierten Kontrollbehörde vom 30. Oktober 1945

VOBl. Stadt Berlin Nr. 12/1945 S. 141

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Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens

 

Der Kontrollrat beschließt in Übereinstimmung mit seiner Proklamation Nr. 3 an das Deutsche Volk vom 20. Oktober 1945, daß das deutsche Gerichtswesen auf der Grundlage des demokratischen Prinzips, der Gesetzmäßigkeit und der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ohne Unterschied von Rasse, Staatsangehörigkeit oder Religion umgestaltet werden muß und erläßt folgendes Gesetz:

Artikel I

Die Umgestaltung der deutschen Gerichte soll grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 in der Fassung vom 22. März 1924 (RGBl. I S. 299) erfolgen. Folgende Gliederung der ordentlichen Gerichte wird wiederhergestellt: Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte.

Artikel II

Die Zuständigkeit der Amtsgerichte und Landgerichte in Zivil- und Strafsachen richtet sich im allgemeinen nach dem Recht, das am 30. Januar 1933 in Kraft war. Die Zuständigkeit der Amtsgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wird jedoch auf Ansprüche ausgedehnt, deren Gegenstand den Wert von 2000 RM nicht übersteigt.

Die Landgerichte sind zuständig für Berufung gegen Entscheidungen der Amtsgerichte.

Die Oberlandesgerichte entscheiden nicht in erster Instanz, sondern sind endgültige Berufungsinstanz gegen Entscheidungen der Landgerichte in Zivilsachen; sie sind, soweit gesetzlich vorgesehen, für das Rechtsmittel der Revision gegen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Strafsachen zuständig.

Artikel III

Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte erstreckt sich auf alle Zivil- und Strafsachen mit folgenden Ausnahmen:

  1. Strafbare Handlungen, die sich gegen die alliierten Besatzungsstreitkräfte richten;
  2. strafbare Handlungen, die von Nazis oder von anderen Personen begangen wurden und die sich gegen Staatsangehörige alliierter Nationen oder deren Eigentum richten, sowie Versuche zur Wiederherstellung des Naziregimes oder zur Wiederaufnahme der Tätigkeit der Naziorganisationen;
  3. strafbare Handlungen, in die Militärpersonen der alliierten Streitkräfte oder alliierte Staatsangehörige verwickelt sind;
  4. andere Zivil- oder Strafsachen, die der Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach den Anordnungen des Alliierten Militärbefehlshabers entzogen werden;
  5. wenn eine strafbare Handlung ihrem Wesen nach nicht die Sicherheit der alliierten Streitkräfte gefährdet, kann der Militärbefehlshaber sie den deutschen Gerichten zur Aburteilung überlassen.
Artikel IV

Zwecks Durchführung der Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens müssen alle früheren Mitglieder der Nazipartei, die sich aktiv für deren Tätigkeit eingesetzt haben und alle anderen Personen, die an den Strafmethoden des Hitlerregimes direkten Anteil hatten, ihres Amtes als Richter und Staatsanwalt enthoben werden und dürfen nicht zu solchen Ämtern zugelassen werden.

Artikel V

Es wird dem Ermessen des Militärbefehlshabers überlassen, in Ausführung dieses Gesetzes die Zuständigkeitsabgrenzung der deutschen Gerichte schrittweise mit diesem Gesetz in Einklang zu bringen.

Artikel VI

Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Die Militärbefehlshaber der Zonen sind mit seiner Durchführung beauftragt.

Ausgefertigt in Berlin, den 30. Oktober 1945.

Alliierte Kontrollbehörde
General K o e n i g
Marschall S h u к о w
Armee-General E i s e n h o w e r
Feldmarschall M o n t g o m e r y

 

Verordnungsblatt der Stadt Berlin Nr. 12/1945 S. 141

Quelle: Eigener Bestand im Original

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