Das war die DDR

Verordnung zur Durchführung des Gesetzes vom 30. Juni 1946 über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes vom 18. Juli 1946

VOBl. Land Sachsen 1946 S. 425

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§ 1

(1) Das Eigentum an den übereigneten Betrieben und Unternehmen geht mit Ablauf des 30. Juni 1946 auf das Bundesland Sachsen über.

(2) Der Eigentumsübergang wird den bisherigen Eigentümern und den bisherigen gesetzlichen Vertretern (Vorständen, Geschäftsführern) der enteigneten Betriebe und Unternehmen binnen zwei Wochen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes amtlich mitgeteilt. Kann die amtliche Mitteilung nicht oder nicht fristgemäß zugestellt werden, so wird der Eigentumsübergang unverzüglich öffentlich bekanntgemacht.

§ 2

(1) Der Eigentumsübergang umfaßt alle Vermögensgegenstände, die zum Betriebsvermögen des enteigneten Betriebes oder Unternehmens gehören.

(2) Über das gesamte vom Eigentumsübergang erfaßte Vermögen ist bei jedem übereigneten Betrieb und jedem übereigneten Unternehmen ein genaues Verzeichnis aufzustellen.

§ 3

Kapitalanteile an einem enteigneten Betriebe oder Unternehmen, die Eigentum eines Angehörigen eines außerdeutschen Staates sind, werden vom Bundesland Sachsen nur treuhänderisch übernommen und verwaltet.

§ 4

(1) Die Verbindlichkeiten eines enteigneten Betriebes oder Unternehmens werden vom Bundeslande Sachsen übernommen, soweit sie nach dem 8. Mai 1945 im normalen Geschäftsbetriebe entstanden sind.

(2) Die Landesverwaltung Sachsen kann durch Beschluß ihres Präsidiums Verbindlichkeiten von der Übernahme ausschließen, wenn diese Verbindlichkeiten von dem früheren Eigentümer für nichtbetriebliche Zwecke oder zu dem Zwecke eingegangen sind, Vermögenswerte des Betriebes oder Unternehmens der Enteignung zu entziehen.

(3) Die Landesverwaltung Sachsen kann durch Beschluß ihres Präsidiums die Übernahme der Verbindlichkeiten eines enteigneten Betriebes oder Unternehmens auf einzelne Verbindlichkeiten erstrecken, die vor dem 8.Mai 1945 entstanden sind, wenn deren Übernahme zur Durchführung von Anordnungen der Besatzungsmächte notwendig ist oder aus Billigkeitsgründen angebracht erscheint. Durch den Übernahmebeschluß ist zugleich festzusetzen, in welcher Reihenfolge die übernommenen Verbindlichkeiten aus dem übernommenen Betriebsvermögen zu erfüllen sind, wobei bisherige Befriedigungsvorrechte geändert oder aufgehoben werden können.

§ 5

Jeder enteignete und in das Eigentum des Bundeslandes Sachsen übergeführte Betrieb und jedes solche Unternehmen bildet bis zu anderweiter Regelung ein für sich allein haftendes Sondervermögen.

§ 6

(1) Die Enteignung erfolgt entschädigungslos.

(2) Mit dem Übergang des Eigentums an einem enteigneten Betriebe oder Unternehmen auf das Bundesland Sachsen erlöschen alle Ansprüche der bisherigen Eigentümer oder Anteilseigner des enteigneten Betriebes oder Unternehmens gegen diesen oder dieses.

§ 7

(1) Erstreckt sich die Enteignung gemäß der amtlichen Liste der enteigneten Betriebe und Unternehmen (Artikel 2 des Gesetzes) nur auf den Geschäftsanteil eines Mitinhabers eines Betriebes oder Unternehmens, so geht dieser Anteil mit allen daraus sich ergebenden Gesellschaftsrechten in das Eigentum des Bundeslandes Sachsen über. Auf den Eigentumsübergang finden die Vorschriften des § 1 dieser Verordnung entsprechende Anwendung.

(2) Hinsichtlich der Mithaftung des Bundeslandes Sachsen für die Verbindlichkeiten des Betriebes oder Unternehmens finden die Vorschriften der §§ 4 und 5 dieser Verordnung und im übrigen die Vorschriften der §§ 6, 8, 10 und 11 dieser Verordnung entsprechend Anwendung.

§ 8

Die durch die Übereignung in das Eigentum des Landes übergeführten Betriebe und Unternehmen sind mit ihrem gesamten Vermögen im Rahmen der sächsischen Gesamtwirtschaft zur Deckung der wirtschaftlichen Bedürfnisse des sächsischen Volkes einzusetzen.

§ 9

Die Bestimmungen dieser Verordnung finden keine Anwendung auf Betriebe und Unternehmen, die unter Sequester verbleiben, sowie auf Vermögensansprüche, die ausländischen - physischen oder juristischen - Personen zustehen.

§ 10

Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit der Rückgabe von enteigneten Betrieben und Unternehmen an ihre bisherigen Eigentümer, insbesondere solche Schadenersatzansprüche, die aus der Tätigkeit von Treuhändern hergeleitet werden, sind ausgeschlossen, es sei denn, daß die Ansprüche auf vorsätzlich deliktisches Handeln gegründet sind.

§ 11

Für Ansprüche im Zusammenhang mit der Überführung enteigneter Betriebe oder Unternehmen in das Eigentum des Bundeslandes Sachsen und für Ansprüche im Zusammenhang mit der Rückgabe enteigneter Betriebe oder Unternehmen an ihre früheren Eigentümer ist der Rechtsweg ausgeschlossen. Die Entscheidung über solche Ansprüche erfolgt durch ein Schiedsgericht, das sich aus einem Vertreter der Landesverwaltung Sachsen als Vorsitzenden sowie je einem Vertreter der drei Parteien des antifaschistisch-demokratischen Blocks und des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes zusammensetzt. Die nähere Regelung erfolgt durch besondere Verordnung.

Landesverwaltung Sachsen
Der Präsident
Dr. h. c. Friedrichs

Wirtschaft und Arbeit
Selbmann, Vizepräsident

Verordnungsblatt Land Sachsen 1946 S. 425

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