Das war die DDR

Beschluß des demokratischen Magistrats von Groß-Berlin über die Durchführung des Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten vom 8. Februar 1949

VOBl. Groß-Berlin Teil 1 Nr. 5/1949 S. 33

Es folgt das Faksimile (originalgetreue Kopie) eines historischen Dokuments, das diese Webseite aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.

In Übereinstimmung mit den Grundsätzen des am 27. März 1947 von der Stadtverordnetenversammlung angenommenen und durch Beschluß des demokratischen Magistrats in Kraft gesetzten Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten beschließt der Magistrat von Groß-Berlin:

1. Von den von der sowjetischen Besatzungsmacht aus ihrem Sequester im sowjetischen Sektor von Groß-Berlin freigegebenen Betrieben und Vermögen der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten, einschließlich des Eigentums der deutschen Monopole, sind die in Liste 1 genannten Vermögenswerte zu enteignen und in die Hände des deutschen Volkes zu überführen.

2. Die aus dem Sequester freigegebenen und in Liste 2 aufgeführten Vermögenswerte sollen an ihre Eigentümer zurückgegeben werden. Die sowjetische Besatzungsmacht ist um die Genehmigung dieser Liste zu ersuchen.

3. Die Abteilung für Wirtschaft wird beauftragt, Vorschläge für die Verwertung der aus dem Sequester freigegebenen, aber nicht in den Listen 1 und 2 genannten sonstigen Vermögenswerte auszuarbeiten und dem Magistrat zur Bestätigung vorzulegen.

4. Zur Leitung der in Volkseigentum übergegangenen Betriebe ist bei der Abteilung für Wirtschaft des Magistrats ein Hauptamt für volkseigene Betriebe zu bilden. Die Treuhandverwaltung für beschlagnahmtes und sequestriertes Vermögen ist aufzulösen, da sie ihre Aufgabe erfüllt hat.

5. Der demokratische Magistrat von Groß-Berlin stellt fest, daß infolge des Vetos der westlichen Besatzungsmächte gegen die Durchführung des Gesetzes der Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin vom 27. März 1947 zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten und ihre Übergabe in die Hände des Volkes die Verwirklichung des Willens der Bevölkerung der westlichen Sektoren von Groß-Berlin auf den Widerstand äußerer Kräfte stößt. Infolgedessen ist die praktische Durchführung des Gesetzes vorläufig nur im sowjetischen Sektor möglich, obwohl das Gesetz für ganz Berlin gilt. Die Durchführung dieses Gesetzes wird es nach der Wiederherstellung der Einheit der Stadt ermöglichen, auch in den westlichen Sektoren Berlins das Vermögen der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten im Interesse der gesamten Bevölkerung auszunutzen.

Berlin, den 8. Februar 1949

Der Magistrat von Groß-Berlin
Ebert
Oberbürgermeister

Gesetz zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Naziaktivisten

Der Magistrat von Groß-Berlin hat nachstehendes Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

§ 1

Das gesamte Vermögen von Kriegsverbrechern und Naziaktivisten wird zugunsten des deutschen Volkes entschädigungslos eingezogen.

Ausgenommen davon werden pfändungsfreie Gegenstände und Ansprüche. Die Einziehung erstreckt sich auch auf Vermögenswerte, die auf Grund des Gesetzes 52 oder der Befehle 124 und 126 der alliierten Besatzungsmächte beschlagnahmt sind.

Bis zur gesamtdeutschen Regelung übernimmt die Stadt Berlin die treuhänderische Verwaltung der eingezogenen Vermögenswerte.

§ 2

Als Kriegsverbrecher und Naziaktivisten gelten diejenigen Personen, die unter die in der Direktive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946 des Alliierten Kontrollrates in Deutschland (siehe Amtsblatt des Kontrollrates in Deutschland Nr. 11 vom 31. Oktober 1946) im Abschnitt II - Artikel II und III als Hauptschuldige oder Belastete - (Aktivisten, Militaristen und Nutznießer) bezeichneten Gruppen fallen.

§ 3

Eingezogene Vermögenswerte, die für eine Überführung in Gemeineigentum nicht in Betracht kommen, sollen an Antifaschisten, insbesondere an Opfer des Faschismus und der Nürnberger Gesetzgebung oder Totalgeschädigte veräußert werden. Der Erlös aus den veräußerten Vermögenswerten wird zugunsten eines Sonderfonds zur Wiedergutmachung für die Opfer des Faschismus und der Nürnberger Gesetzgebung in den Besitz der Stadt Berlin überführt. Über die Auswahl der Empfänger entscheidet endgültig ein vom Magistrat von Groß-Berlin zu wählender Ausschuß.

§ 4

Auf Grund des Gesetzes 52, der Befehle 124 und 126 der alliierten Besatzungsmächte und der Verordnung des Magistrats vom 2. Juli 1945 (VOBl der Stadt Berlin Nr. 4 S. 45 ff) oder aus Notrechtsgründen beschlagnahmte Vermögenswerte, bei denen es sich nach sorgfältiger Prüfung herausstellt, daß ihre Eigentümer keine Kriegsverbrecher oder Naziaktivisten waren, werden an die Eigentümer zurückgegeben.

Ein Entschädigungsanspruch gegen die Stadt Berlin wegen entgangenen Gewinnes oder Wertminderung ist ausgeschlossen, soweit nicht ein schuldhaftes Verhalten der Beteiligten vorliegt.

§ 5

Im Falle einer Werterhöhung des treuhänderisch verwalteten Vermögens, das gemäß § 4 herausgegeben werden soll, steht der Stadt Berlin bezüglich dieser während der Treuhänderschaft erzielten Werterhöhung das Bestimmungsrecht zu.

§ 6

Aus Anlaß des Eigentumswechsels dürfen Steuern und Gebühren nicht erhoben und Kosten nicht in Ansatz gebracht werden. Für die Übertragung des Eigentums bedarf es nicht der vom Gesetz vorgeschriebenen Form.

§ 7

Einziehungsbehörde ist der Magistrat von Groß-Berlin. Er kann mit der Durchführung der Einziehung die Bezirksämter beauftragen.

§ 8

Die Einziehung wird dem Betroffenen durch Veröffentlichung einer Liste oder durch Zustellung eines Einziehungsbescheides bekanntgegeben.

Im Falle der Bekanntgabe durch Aufnahme in die Liste gilt der Tag der Verkündung im Verordnungsblatt für Groß-Berlin als der Tag der Zustellung des Einziehungsbescheides.

Der Betroffene hat das Recht, binnen vier Wochen nach Eingang des Einziehungsbescheides vom Zustellungstage an gerechnet, gegen den Bescheid Einspruch einzulegen. Der Einspruch ist binnen weiterer vier Wochen zu begründen

Über den Einspruch entscheidet endgültig ein Ausschuß des Magistrats von Groß-Berlin.

§ 9

Alle seit dem 8. Mai 1945 getroffenen Verfügungen, die geeignet sind, eine Einziehung von Vermögenswerten auf Grund dieses Gesetzes zu verhindern, sind nichtig.

§ 10

Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung im Verordnungsblatt für Groß-Berlin in Kraft.


Berlin, den 8. Februar 1949

Der Magistrat von Groß-Berlin
Ebert
Oberbürgermeister

Abteilung für Wirtschaft
Maron
Stadtrat

Verordnungsblatt für Groß-Berlin Teil 1 Nr. 5/1949 S. 33

Creative Commons Lizenzvertrag
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

Dieser Artikel ist auch als PDF verfügbar

Seite 210 von 389

Hier geht's zum Podcast "Eliten in der DDR" bei MDR.DE