Das war die DDR

Gesetz Nr. 45 des Kontrollrats der Alliierten Kontrollbehörde vom 20. Februar 1947

AB/KR Dtl. 1947 Nr. 14 v. 31.3.1947 S. 256/2

Es folgt das Faksimile (originalgetreue Kopie) eines historischen Dokuments, das diese Webseite aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.

Aufhebung der Erbhofgesetze und Einführung neuer Bestimmungen über land- und forstwirtschaftliche Grundstücke

 

Der Kontrollrat erläßt das folgende Gesetz:

ARTIKEL I
Aufhebung von Gesetzen

1. Das Reichserbhofgesetz vom 29. September 1933 (RGBl. I, S. 685), die Erbhofrechtsverordnung vom 21. Dezember 1936 (RGBl. I, S. 1069), die Erbhofverfahrensordnung vom 21. Dezember 1936 (RGBl. I, S. 1082), und die Verordnung zur Fortbildung des Erbhofrechts (Erbhoffortbildungsverordnung, E.H.F.V.) vom 30. September 1943 (RGBl. I, S. 549), einschließlich aller zusätzlichen Gesetze, Ausführungsvorschriften, Verordnungen und Erlasse werden hiermit aufgehoben.

2. Folgende Gesetze und Verordnungen, einschließlich aller zusätzlichen Gesetze, Ausführungsvorschriften, Verordnungen und Erlasse werden hiermit aufgehoben:

  1. Bekanntmachung über den Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken vom 15. März 1918 (RGBl. I, S. 123);
  2. Gesetz zur Änderung der Bekanntmachung über den Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken vom 26. Januar 1937 (RGBl. I, S. 32);
  3. Ausführungsverordnung zur Bekanntmachung über den Verkehr mit landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Grundstücken vom 22. April 1937 (RGBl. I, S. 534);
  4. Erlaß des Führers über die Einschränkung des Verkehrs mit landwirtschaftlichen Grundstücken im Kriege vom 28. Juli 1942 (RGBl. I, S. 481);
  5. Verordnung zur Einschränkung des Eigentumswechsels an landwirtschaftlichen Grundstücken im Kriege vom 17. März 1943 (RGBl. I, S. 144);
  6. Verordnung zur Sicherung der Landbewirtschaftung vom 23. März 1937 (RGBl. I, S. 422);
  7. Verordnung zur Durchführung der Verordnung zur Sicherung der Landbewirtschaftung vom 12. April 1937 (RGBl. I, S. 535);
  8. Zweite Verordnung zur Sicherung der Landbewirtschaftung vom 28. Februar 1939 (RGBl. I, S. 413);
  9. Verordnung zur Durchführung und Ergänzung der Verordnung zur Sicherung der Landbewirtschaftung vom 20. Januar 1943 (RGBl. I, S. 29).
ARTIKEL II
Erbfolge

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels III werden die am 1. Januar 1933 in Kraft gewesenen Gesetze über Vererbung von Liegenschaften durch gesetzliche Erbfolge oder Verfügung von Todes wegen, die durch das Reichserbhofgesetz oder eines der zusätzlichen Gesetze, Ausführungsvorschriften, Verordnungen und Erlasse oder durch Landesgesetzgebung auf diesem Gebiete aufgehoben oder zeitweilig außer Kraft gesetzt worden sind, wieder in Kraft gesetzt, soweit sie nicht mit diesem Gesetz oder anderen gesetzlichen Vorschriften des Kontrollrats in Widerspruch stehen.

ARTIKEL III
Rechtsnatur des Grundeigentums

1. Grundeigentum, das gemäß diesem Gesetz seinen Charakter als Erbhof verliert, wird freies Grundeigentum, das den allgemeinen Gesetzen unterworfen ist.

2. Alle anderen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke, die bisher in der Rechtsform einer besonderen Güterart besessen wurden, wie beispielsweise - ohne daß diese Aufzählung erschöpfend sein soll - Fideikommisse und ähnliche gebundene Vermögen, Erbpachtgüter, Lehnbauerngüter, Renten- und Ansiedlungsgüter, werden freies, den allgemeinen Gesetzen unterworfenes Grundeigentum.

ARTIKEL IV
Verfügung

1. Die Auflassung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstückes oder die Bestellung eines Nießbrauchs an einem solchen Grundstück ist ohne Genehmigung der zuständigen deutschen Behörden nichtig. Das gleiche gilt für jeden Vertrag, der die Bestellung des Nießbrauchs oder die Verpflichtung zur Übereignung eines solchen Grundstückes zum Gegenstand hat.

2. Wird der Vertrag genehmigt, so erstreckt sich die Genehmigung auch auf das diesem Vertrage entsprechende Erfüllungsgeschäft.

3. Bei Veräußerung eines Grundstückes im Wege der Zwangsversteigerung ist eine Genehmigung zur Abgabe von Geboten erforderlich. Die Vorschrift des Paragraphen 71 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung vom 24. März 1897 (RGBl. S. 97) findet Anwendung. In den Fällen des Paragraphen 81, Absatz 2 und 3 des Zwangsversteigerungsgesetzes darf der Zuschlag an einen anderen als den Meistbietenden nur erteilt werden, wenn dieser andere die Genehmigung vorweist.

4. In allen in diesem Artikel vorgesehenen Fällen ist die Genehmigung zu versagen:

  1. wenn durch die Ausführung des Rechtsgeschäfts die ordnungsmäßige Bewirtschaftung des Grundstückes zum Schaden der Volksernährung gefährdet erscheint;
  2. wenn der Gegenwert in einem groben Mißverhältnis zum Wert des Grundstückes steht;
  3. wenn das Rechtsgeschäft gegen eine von dem zuständigen Zonenbefehlshaber gemäß Artikel XI dieses Gesetzes erlassene Vorschrift verstößt.
ARTIKEL V
Belastung

Die Bestellung einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld an einem land- oder forstwirtschaftlichen Grundstück ist nur mit Genehmigung der zuständigen deutschen Behörden zulässig.

ARTIKEL VI
Pacht

Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke können verpachtet werden. Der Vertrag ist nur mit Genehmigung der zuständigen deutschen Behörden gültig.

ARTIKEL VII
Bewirtschaftung

1. Wenn nach Ansicht der zuständigen deutschen Behörden die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes oder landwirtschaftlichen Grundstückes anhaltend und in erheblichem Maße den zur Sicherung der Ernährung des deutschen Volkes zu stellenden Anforderungen nicht entspricht, so können sie eine der nachstehenden Maßnahmen treffen:

  1. den Nutzungsberechtigten zu einer den oben erwähnten Anforderungen entsprechenden Wirtschaftsführung auffordern;
  2. die Überwachung der Wirtschaft durch eine Aufsichtsperson anordnen;
  3. die Wirtschaftsführung durch einen Treuhänder anordnen;
  4. den Nutzungsberechtigten verpflichten, das Grundstück ganz oder zum Teil an einen geeigneten Landwirt zu verpachten.

2. Wenn ein Grundstück, das sich zur landwirtschaftlichen Nutzung eignet, nicht genutzt wird, können die zuständigen deutschen Behörden die nachstehenden Maßnahmen treffen:

  1. sie können den Nutzungsberechtigten zu einer Erklärung darüber auffordern, ob er das Grundstück bestellen oder in anderer Weise nutzen will;
  2. gibt er die Erklärung nicht ab, daß er das Grundstück bestellen oder in anderer Weise nutzen will, oder nimmt er gegen seine Erklärung die Bestellung oder die anderweitige Nutzung binnen einer angemessenen Frist nicht vor, so können sie ihn verpflichten, das Grundstück ganz oder zum Teil an einen geeigneten Landwirt zur landwirtschaftlichen Nutzung zu verpachten.

3. Eine auf Grund Absatz 1 (b), (c) oder (d) oder auf Grund Absatz 2 b dieses Artikels erlassene Anordnung der zuständigen deutschen Behörden kann auf Antrag dieser Behörden durch das Gericht des Bezirkes, in dem sich das Grundstück befindet, für vollstreckbar erklärt werden. In den Fällen des Absatzes 1 d und 2 b kann das Gericht die zuständigen deutschen Behörden ermächtigen, das Grundstück für den Nutzungsberechtigten zu verpachten.

4. Gegen Einwanderer, welche die derzeitigen Grenzen Deutschlands nach dem 8. Mai 1945 überschritten haben und Land- und Forstwirtschaft betreiben, sowie gegen diejenigen, die sich zu diesem Zweck nach dem 8. Mai 1945 auf einem Grundstück niedergelassen haben, darf keine Maßnahme auf Grund des Absatzes 1 b, c oder d oder des Absatzes 2 b dieses Artikels ohne Genehmigung des Zonenbefehlshabers in jedem einzelnen Falle und innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren ergriffen werden, gerechnet vom 1. Januar 1946 ab oder vom Tage der Einreise nach Deutschland oder der Niederlassung auf dem Grundstück, je nachdem, welches Datum das spätere ist.

ARTIKEL VIII
Rechtsmittel

1. Entscheide, die von den zuständigen deutschen Behörden auf Grund der Artikel IV, V, VI und Artikel VII, Absatz 1 und 2, dieses Gesetzes getroffen werden, unterliegen auf Anrufung durch eine Partei der Nachprüfung durch das Gericht.

2. Entscheidungen, die das Gericht gemäß Artikel VII, Absatz 3, erläßt, unterliegen der sofortigen Beschwerde.

ARTIKEL IX
Begriffsbestimmungen

1. ln diesem Gesetz bedeutet das Wort "Gericht" die deutschen Gerichte, welche die Zonenbefehlshaber aus der Zahl der bestehenden ordentlichen Gerichte auswählen oder in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Kontrollrats errichten.

2. In diesem Gesetz bedeutet der Ausdruck "zuständige deutsche Behörden" die deutschen Landwirtschaftsbehörden, welche von den Zonenbefehlshabern in ihren betreffenden Zonen errichtet oder anerkannt werden.

ARTIKEL X
Wirkung auf andere Gesetzesbestimmungen

1. Alle Bezugnahmen auf die durch Artikel I, Absatz 1 und 2 aufgehobenen Gesetze und gesetzlichen Bestimmungen in anderen gesetzlichen Vorschriften wie auch alle Bestimmungen aller Gesetze oder anderer gesetzlicher Vorschriften, die in Widerspruch zu diesem Gesetz stehen, treten außer Kraft.

2. Insbesondere treten außer Kraft Artikel 59, 60, 62 und 63 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, soweit diese Bestimmungen im Widerspruch zu Artikel III dieses Gesetzes stehen.

ARTIKEL XI
Durchführungsbestimmungen

1. Ungeachtet der Bestimmungen dieses Gesetzes können die Zonenbefehlshaber in ihren betreffenden Zonen gesetzliche Bestimmungen zur Änderung oder Aufhebung irgendwelcher, durch dieses Gesetz wieder hergestellter oder anderweitig in Kraft gesetzter Gesetzgebung erlassen. Die Zonenbefehlshaber sind ferner ermächtigt, für ihre betreffenden Zonen im Rahmen dieses Gesetzes und zur Durchführung seiner Bestimmungen Verordnungen zu erlassen.

2. Die den Zonenbefehlshabern auf Grund dieses Gesetzes zustehenden Befugnisse werden in Berlin von der Alliierten Kommandatura ausgeübt.

ARTIKEL XII
Zeitpunkt des Inkrafttretens

1. Dieses Gesetz tritt zwei Monate nach dem Tage seiner Verkündung in Kraft.

2. Es findet auf Nachlässe, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes noch nicht geregelt sind, Anwendung. Rechtskräftige Urteile oder Beschlüsse und vor Inkrafttreten dieses Gesetzes getroffene rechtsgültige Vereinbarungen bleiben in Kraft. Ein Nachlaß gilt im Sinne dieser Bestimmung als geregelt, wenn gegen eine Person, die das Grundstück als Erbe in Besitz genommen hat, kein die Erbfolge in Frage stellender Anspruch im Klagewege innerhalb dreier Jahre vom Tode des Eigentümers an gerechnet, geltend gemacht wird. Paragraphen 233 bis 238 der Deutschen Zivilprozeßordnung finden Anwendung.

Ausgefertigt in Berlin, den 20. Februar 1947.

(Die in den drei offiziellen Sprachen abgefaßten Originaltexte dieses Gesetzes sind von P. Koenig, General der Armee, V. Sokolowsky, Marschall der Sowjetunion, Joseph T. McNarney, General, und Sholto Douglas, Marschall der Royal Air Force, unterzeichnet.)

 

Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland 1947 Nr. 14 v. 31.3.1947 S. 256/2

Quelle: Eigener Bestand im Original

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