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Der Kontrollrat hat das folgende Gesetz beschlossen:
Zur Beilegung von Streitigkeiten in Arbeitssachen werden örtliche und Berufungsarbeitsgerichte in ganz Deutschland errichtet.
Die Arbeitsgerichte sind, unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes für die folgenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig:
1. Streitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen diesen und Dritten aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen; ferner Streitigkeiten zwischen tarifvertragsfähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, sofern es sich um Maßnahmen zu Zwecken des Arbeitskampfes oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit handelt.
2. Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus dem Arbeits- oder Lehrverhältnis, über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeits- oder Lehrvertrags oder aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeits- oder Lehrvertrages und aus dessen Nachwirkungen; ferner Streitigkeiten aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeits- oder Lehrverhältnis im Zusammenhänge stehen. Ausgenommen sind:
3. Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit und aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeits- oder Lehrverhältnis im Zusammenhang stehen.
4. Streitigkeiten aus Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über Arbeitsbedingungen, Gesundheitsschutz und Unfallverhütung.
5. Streitigkeiten bezüglich Auslegung von Vereinbarungen zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern.
Die deutschen Arbeitsgerichte unterstehen, lediglich bezüglich ihrer Verwaltung, den deutschen Provinz- oder Landesarbeitsbehörden. Diese Behörden dürfen auf Entscheidungen der Arbeitsgerichte keinerlei Einfluß ausüben und sie weder außer Kraft setzen noch abändern.
1. Die örtlichen Arbeitsgerichte sind Gerichte ersten Rechtszuges, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes.
2. Die Berufungsarbeitsgerichte entscheiden als Gerichte zweiten Rechtszuges über die Berufung gegen Entscheidungen der örtlichen Arbeitsgerichte. Diese Entscheidungen unterliegen der Berufung, wenn der Streitwert den von der Provinz- oder Landesarbeitsbehörde festgesetzten Betrag erreicht oder übersteigt oder wenn das örtliche Arbeitsgericht wegen des Vorliegens einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung die Berufung gegen sein Urteil zuläßt, obgleich der Streitwert unter dem festgesetzten Betrag liegt. Das Gericht hat in einem derartigen Falle seine Entscheidung, gegen das Urteil die Berufung zuzulassen, mit Gründen zu versehen.
3. Die Zonenbefehlshaber können in Ermangelung eines deutschen obersten Arbeitsgerichts ein oder mehrere Gerichte höheren Rechtszuges als Gerichte letzten Rechtszuges in Arbeitsstreitigkeiten bestimmen.
Jedes Arbeitsgericht besteht aus einem Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden und aus Beisitzern. Die Beisitzer werden in gleicher Anzahl aus den Kreisen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer entnommen. Alle Mitglieder müssen anerkannt demokratisch Anschauungen haben.
1. Bei der Auswahl und Bestellung von Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden von Arbeitsgerichten ist folgendermaßen zu verfahren:
2. Die deutschen Provinz- oder Landesarbeitsbehörden stellen zwei Beisitzerlisten auf:
1. Die Amtsdauer des Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden eines Arbeitsgericht beträgt drei Jahre; eine Wiederbestellung ist zulässig.
2. Vorsitzende oder stellvertretende Vorsitzende können von der bestellenden Behörde auf Empfehlung einer Disziplinarkammer aus dem Amte entfernt werden. Die Disziplinarkammer setzt sich aus einem Vertreter der bestellenden Behörde als Vorsitzendem und sechs Vorsitzenden von Arbeitsgerichten der betreffenden oder benachbarten Provinzen oder Länder als Beisitzern zusammen.
3. Die Befugnis der Zonenbefehlshaber Personal von Arbeitsgerichten abzusetzen oder der Absetzung zuzustimmen, bleibt unberührt.
1. Die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb der Arbeitsgerichte sind von den Ländern oder Provinzen zu tragen und in ihre Haushaltspläne aufzunehmen.
2. Die Kosten eines einzelnen Rechtsstreites sind von den vom Arbeitsgericht namhaft zu machenden Parteien zu tragen.
Die örtliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte wird von den betreffenden Zonenbefehlshabern festgesetzt.
Die Vorschriften des deutschen Arbeitsgerichtsgesetzes vom 23. Dezember 1926, jedoch in seiner ursprünglichen Fassung, sind vorläufig weiter anzuwenden, soweit sie nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes stehen.
Die Alliierte Kommandatura wird hiermit beauftragt, geeignete Maßnahmen für die Errichtung von Arbeitsgerichten in Berlin in Übereinstimmung mit den in diesem Gesetz festgelegten Grundsätzen zu treffen.
Dieses Gesetz betrifft, soweit es nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, Gerichte des ersten und zweiten Rechtszuges.
Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.
Ausgefertigt in Berlin, den 30. März 1946.
(Die in den drei offiziellen Sprachen abgefaßten Originaltexte dieses Gesetzes sind von V. Sokolowsky, General der Armee, Lucius D. Clay, Generalleutnant, Montgomery of Alamein, Feldmarschall, und L. Koeltz, Armeekorps-General, unterzeichnet.)
Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland 1946 Nr. 5 v. 31.3.1946 S. 124
Quelle: Eigener Bestand im Original
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